0740 - Todesgruß der Templer
flache Seite für einen Moment gegen seine Lippen.
Es tat ihm gut, sie zu spüren. Es sah aus, als würden sie ihm das Leben einhauchen.
Tief atmete er durch.
Für die anderen Kisten und Truhen in dem kleinen Laderaum hatte er keinen Blick. Gut, er hätte eine von ihnen aufbrechen und sich an der wertvollen Ladung bereichern können, das aber hätte ihn auch Zeit gekostet, und er wollte so schnell wie möglich verschwinden. Über Bord springen und an Land schwimmen. Auch wenn sie ihn dabei entdeckten, er ging davon aus, daß ihn niemand verfolgen würde. Das konnten sie sich nicht leisten. Sie mußten so schnell wie möglich Marseille erreichen.
Er steckte den Dolch weg. Unter seiner alten Hose hatte er eine Scheide verborgen gehabt, die für die Waffe zugeschnitten worden war. Sie paßte wunderbar hinein.
Malraux war beinahe zufrieden. Jetzt mußte es ihm nur noch gelingen, so rasch wie möglich zu verschwinden. Er durfte allerdings nichts übereilen und mußte vorsichtig sein. Nur nicht übermütig werden, sonst war alles umsonst gewesen.
Er drehte sich aus der Kammer.
Der Segler zog unbeirrt seine Bahn. Er schien über die lange Dünung hinwegzugleiten, er war plötzlich so leicht, als hätte er sich in einen Vogel verwandelt.
Es konnte auch an der Stimmung des Mannes liegen, denn Malraux fühlte sich beflügelt. Für ihn war es einfach wunderbar, das Ziel seiner Wünsche erreicht zu haben, nur mehr ein Schritt trennte ihn von dem endgültigen Triumph.
Über dem Toten summten die dicken Fliegen. Sie hockten auch auf der Blutlache, die sie mit einem noch dunkleren Pelz überzogen hatten. Er wandte sich nach links. In einer Hand hielt er die Ölleuchte. Sie bewegte sich im Gleichklang seiner Schritte. Sie warf Schatten, die wie dunkle Gespenster über Wände und Boden huschten und zu dieser Totenatmosphäre paßten.
Der Bewußtlose lag nahe des Ausgangs. Malraux überlegte, ob er ihn auch töten sollte, dann ließ er es bleiben. Man würde sowieso bald erfahren, wer hier getötet und geraubt hatte, da brauchte er keine weitere Leiche hinterlassen.
Er schlich an dem reglosen vorbei. Wollte den Zugang des eigentlichen Schotts öffnen, als er hinter sich das schleichende Geräusch hörte. Malraux drehte sich um.
Es war bereits zu spät.
Eine Klaue hatte blitzschnell nach seinem Fußgelenk gepackt. Der Griff war so fest und hart, daß Malraux aufschrie. Er konnte sich nicht mehr beherrschen, er kippte zur Seite, die Lampe fiel zu Boden, wo sie zersplitterte.
Öl lief aus.
Flammen waren da, gierig wie lange Diebesfinger. Sie griffen in das Öl hinein.
Etwas fauchte.
Dann schoß die Stichflamme in die Höhe. Sie puffte auf, sie war so rot, unheimlich und gespenstisch. Malraux sah in deren Licht, wie sich der Bewußtlose bewegte, ohne ihn dabei loszulassen. Er wollte sich an ihm hochstemmen, noch immer benommen, den Blick glasig, Gesicht und Mund verzerrt.
Das konnte nicht gutgehen.
Außerdem fand das Feuer immer mehr Nahrung. Es brauchte nur Sekunden, um sich auszuweiten.
Schon wühlte sich ein beißender Rauch in die Höhe und ließ die Augen des Mannes tränen.
Er nahm nicht den Dolch, sondern ballte seine linke Hand zur Faust. Und wieder schlug er zu.
Wieder traf er den Kopf des Mannes. Diesmal schlug er dreimal zu. Der Griff lockerte sich intervallweise. Dann rutschte die Hand ab, der Wächter fiel zu Boden, rollte sich herum und genau auf den Teppich aus Feuer zu, der bereits über den Boden tanzte.
Malraux raffte sich auf.
Für ihn stand längst fest, daß dieser Brand nicht mehr gelöscht werden konnte. Er fand hier genügend Beute und würde bald das Schiff in eine Feuerhölle verwandeln.
Bis das eintrat, mußte er von Bord sein.
Hustend und mit brennenden Augen verließ er das Schott. Er taumelte in den Gang, stützte sich an einer Wand ab, fühlte nach dem Dolch und freute sich darüber, daß die Waffe noch vorhanden war.
Sie würde ihm Schutz geben, das stand fest.
Er mußte nur so schnell wie möglich an Deck, bevor jemand merkte, daß es brannte und der Rauch beißend über Deck wehte. Er dachte nicht daran, die anderen Schläfer zu warnen. Sollten sie selbst sehen, wie sie mit der Lage zurechtkamen.
Er hetzte einen Niedergang hoch. Am Deck duckte er sich hinter Taurollen. Niemand befand sich in der Nähe. Er hörte Stimmen, über ihm rauschten die Segel im Wind. Er hörte auch das Wasser an den Bordwänden vorbeiströmen, es gab ihm die Hoffnung, und er huschte in Richtung
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