0744 - Die Verwandlung
hätte er sich unwohl fühlen müssen, doch auf seinem Gesicht breitete sich ein erwartungsvolles Lächeln aus, und er schaute auch sofort gegen die beiden Augen im Hang, als wollte er sich von dort Rat holen.
Die Frau beugte sich zu dem Jungen hinab und flüsterte ihm etwas zu. Elohim hörte zu, dann nickte er.
»Freust du dich?«
»Ja, Dagmar.«
»Das ist gut.«
Der Mann mit dem langen Blondhaar kehrte zurück. Er hieß Angelo. Sein Blick hatte die Kälte von Gletschereis angenommen, als er gegen Dagmars Gesicht schaute.
»Du weißt, was mit Bergmann passiert ist?«
Die Frau zögerte, etwas zu erwidern. Sie schaute zu Boden, bevor sie flüsterte: »Ja, ich kann es mir denken.«
»Er liegt auf der Eisbahn.«
Dagmar nickte.
»Er ist vernichtet worden. Er, eine Kreatur wie wir. Kannst du dir das vorstellen?«
»Nein.«
»Es gibt hier also jemand, der weiß, wer und was wir sind, liebe Dagmar. Wir sollten uns darauf genau einstellen. Und dieser Mann lebt noch. Du hast sogar mit ihm gesprochen…«
»Er heißt John Sinclair. Ich traf ihn an der Bar.«
»Na bitte.«
Sie hob den Kopf und zog die Kostümjacke enger, als würde sie frieren. »Aber er wird nicht überleben, Angelo, das kann ich dir versprechen. Er schafft es nicht. Wir sind besser, unsere Trümpfe werden stechen, glaube es mir.«
»Danach sieht es bisher nicht aus.«
»Die Zeit bleibt nicht stehen. Ja, ich habe mit ihm geredet und konnte feststellen, daß er nichts weiß. Dieser Mann, mag er sich auch noch so gut vorkommen, ist ahnungslos. Er ahnt etwas, er weiß auch viel, aber er weiß nicht alles. Darauf kannst du dich verlassen. Wir werden siegen, wir sind diejenigen, die den Sieg an unsere Fahne heften. Sonst gibt es nichts.«
Angelo zeigte sich nicht zufrieden.
»Dieser Mann war besser als Bergmann.«
»Pech.«
»Nein, Wissen. Er weiß um uns, er kennt die Kreaturen der Finsternis. Er ist informiert, und wir sollten uns sehr vorsehen, meine Liebe, sonst fallen wir in den großen, tiefen Schacht.« Er schüttelte sich, und sein blondes Haar umwehte den Kopf. »Das hatte ich dir nur sagen wollen.«
»Ist mir klar.«
Dr. Sträter hatte die Worte gehört. Er bewegte sich schwerfällig und ächzte dabei. »Laßt ihn«, sagte er leise. »Wir werden uns nicht mehr aufhalten lassen. Wir stehen einen Schritt vor dem Ziel. Legen wir auch den letzten zurück!« Der Greis setzte ein Zeichen und sorgte dafür, daß sein Rollstuhl ruckte.
Das war auch für Dagmar ein Omen. Sie schob den Rollstuhl hastig vor. Angelo mußte zur Seite treten, sonst wäre ihm ein Rad über den Fuß gerollt.
Er schaute ihnen nach. In seinem Innern tobte eine Hölle. Er konnte einfach nicht ruhig sein, denn dieser Sinclair mußte ausgeschaltet werden. Angelo bereute es jetzt, auf Dagmars Vorschlag eingegangen zu sein und ihr die Angelegenheit überlassen zu haben. Nun gab es kein Zurück mehr, da die Zeit drängte und Sinclair noch lebte. Er würde alles genau sehen können und dann die richtigen Schlüsse ziehen. Angelo sah die große Sache als gefährdet an.
In einer kleinen Prozession passierten ihn die anderen Hotelgäste, die mit ihnen unter einer Decke steckten. Es waren Männer und Frauen, die sich hier getroffen hatten. Hier war die Zentrale, hier fühlten sie sich sicher, und wer von den Gästen nicht zu ihnen gehörte, war aus dem Hotel geschafft worden und unternahm eine Schlittenfahrt.
In der Theorie hatten sie es geübt.
Jeder wußte genau, wo er sich aufzubauen hatte. Die Eisfläche war groß genug, um die Menschen aufnehmen zu können, und das Licht der Fackeln gab ihnen die nötige Helligkeit. Nach einer Weile setzte sich Angelo in Bewegung. Er wußte nicht, wo sich Sinclair verborgen hielt. Zeit genug, um das Hotel zu verlassen, hatte er gehabt. Er konnte schon hier draußen warten oder aus einem Versteck im Warmen alles beobachten.
Wie dem auch sei, Angelo rechnete fest damit, daß er eingreifen würde, weil er nicht anders konnte.
Ein Schauer durchzuckte ihn.
Er schluckte.
Seine Hände bewegten sich. Sie waren kräftig und mit langen Fingern versehen. Er mußte daran denken, daß diese Hände schon sehr oft Menschen getötet hatten.
Sie waren wichtig gewesen, doch nicht so wichtig wie Sinclair. Er durfte diese Nacht einfach nicht überleben.
Er sollte alles verlieren.
Nicht nur sein Leben, auch sein Herz…
***
Der Vorhang war nur so weit zugezogen, daß er mir noch einen günstigen Blick nach draußen erlaubte und ich die Eisfläche
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