075 - Der Kopfjaeger
Wir hielten vor dem Wrack an.“ Sie atmete tief und schloß die Augen. „Und als wir uns dem Auto näherten – saß ein kopfloser Mann im Wagen. Er trug den Anzug, den Pierre Gormat getragen hatte. Wir rannten davon, und ich rief die Polizei an. Doch ich sagte nicht meinen Namen. Ich hatte zu große Angst.“
„So war das also“, sagte Melville. „Ich kann mir vorstellen, daß das ein scheußliches Erlebnis für Sie gewesen ist. Aber das erklärt noch immer nicht, weshalb Sie zur heutigen Séance gekommen sind – und vor allem, wer der Mann war, den Sie ständig anstarrten.“
„Der Mann war Pierre Gormat“, sagte sie.
„Was?“ fragte ich überrascht. „Aber das ist …“
Ich brach ab. Der Gedanke, der sich in mein Gehirn stahl, war zu absurd.
„Es war Pierre Gormat“, beharrte das Mädchen. „Ich traf ihn heute zufällig. Es gibt für mich keinen Zweifel. Es war Pierre Gormat. Ich sprach ihn an, doch er sah an mir vorbei. Ich folgte ihm und sprach auf ihn ein, doch er reagierte nicht, ignorierte mich einfach. So beschloß ich, ihm zu folgen. Und er führte mich zu dem Haus in der Rue Servan. Den Rest wissen Sie.“ „Das ist eine ziemlich phantastische Geschichte, die Sie uns da auftischen“, sagte Melville skeptisch.
„Ich wußte, daß Sie mir nicht glauben würden“, sagte sie resignierte.
„Ich glaube Ihnen“, erklärte ich. „Melville, Sie sagten doch, daß Ihnen der Mann bekannt vorkam?“ „Stimmt“, sagte Melville. „Auf dem Rücksitz neben Ihnen müssen einige alte Zeitungen liegen. Wir brachten einmal ein Foto von Pierre Gormat. Sehen Sie, bitte, die Zeitungen durch!“
Ich griff nach dem Stoß, und nach kurzem Suchen hatte ich die richtige Zeitung gefunden. Als wir an einer Ampel stehenblieben, sah ich mir das Bild an.
„Fräulein Ferrand hat recht“, sagte ich. „Pierre Gormat sah dem Mann täuschend ähnlich. Sehen Sie selbst!“
Ich reichte Melville die Zeitung.
Er warf einen Blick auf das Foto und nickte. Hinter uns hupten einige Wagen, und Melville brauste über die Kreuzung.
„Die beiden sehen sich ähnlich“, gab Melville zu. „Aber es kann eine rein zufällige Ähnlichkeit sein.“
„Für mich gibt es keinen Zweifel“, sagte Sybill Ferrand. „Der Mann bei der Séance war Pierre Gormat.“
„Wie können Sie so sicher sein?“ fragte Melville. „Sie kannten doch Gormat nur ganz kurz.“
„Ich habe ein ausgezeichnetes Personengedächtnis.“
„Halten wir uns doch an die Tatsachen“, sagte Melville. „Gormat wurde ohne Kopf gefunden.“
„Und wer sagt Ihnen, daß die Leiche tatsächlich Gormat war?“ fragte Sybill.
„Da gibt es keinen Zweifel“, sagte Melville grinsend. „Seine Identität ist eindeutig festgestellt worden. Er war vorbestraft, und seine Fingerabdrücke lagen bei der Polizei. Jeder Zweifel ist ausgeschlossen.“
„Das wußte ich nicht“, sagte Sybill schwach.
Wir schwiegen einige Zeit.
„Wie wär’s mit einem Schluck?“ fragte Melville.
Sybill und ich hatten nichts dagegen. Beim nächsten Café hielt Melville.
Ich hatte den Eindruck, als würden uns unsichtbare Augen folgen, wandte den Kopf herum, sah jedoch nichts. Aber das unbehagliche Gefühl wurde ich nicht los.
Wir betraten das Lokal und nahmen an einem kleinen Tisch in der Ecke Platz. Ich trank ein Bier und grübelte nach.
„Sagt Ihnen der Name Frederic de Buer etwas, Melville?“
Der Reporter legte die Stirn in Falten.
„Buer?“ wiederholte er. „Ich weiß nicht. Irgendwie kommt mir den Name bekannt vor. Einen Augenblick! Ja, jetzt habe ich es! Vor drei Jahren gab es mal einen Skandal, in den ein de Buer verwickelt war. Es ging um seltsame Experimente. Aber ich kann mich nur noch undeutlich erinnern. Was hat er mit diesem Fall zu tun?“
„Das weiß ich nicht“, sagte ich. „Mir fiel nur der Name ein, da Pellegrin von einem Doktor gesprochen hatte.“
Melville fixierte mich und beugte sich vor. „Sie verheimlichen mir etwas, Garner. Ich habe den Eindruck, Sie wissen viel mehr, als Sie sagen.“
„Hören Sie, Melville, es ist besser für Sie, wenn Sie nicht alles wissen. Außerdem würden Sie mir ohnedies nicht glauben.“
„Sie geben also zu, daß Sie mir einiges verheimlichen?“ fragte er aggressiv.
Ich nickte.
„Wir wollten doch zusammenarbeiten“, sagte er böse. „Und bei einer Zusammenarbeit stelle ich mir vor, daß man mit offenen Karten spielt.“
„Wie Sie wollen, Melville“, sagte ich. „Glauben Sie an Dämonen?“
Er
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