075 - Der Kopfjaeger
Straße, die zum Sanatorium führte.
Das Tor stand noch immer offen. Ich durchschritt es, blieb keuchend stehen, dann schlug ich es hinter mir zu und drehte den Schüssel herum. Ein kleiner Mann trat aus dem Pförtnerhaus. Bevor er noch etwas sagen konnte, stand ich neben ihm und legte ihm meinen rechten Arm um den Hals. Nach ein paar Sekunden brach er bewußtlos zusammen.
Bis zum Haus waren es etwa hundert Meter. Einige Fenster waren erleuchtet. Ohne zu zögern, rannte ich über den betonierten Hof zum Haus und riß die Tür auf.
Eine junge Krankenschwester kam mir entgegen. Ihr Gesicht glich einer Maske. Ihre Augen waren starr. Sie stand unter dem Einfluß eines Dämons.
Ich packte das Mädchen um die Hüften und riß es an mich. Sie wollte sich befreien, doch ihre Gegenwehr war zu schwach. Ich riß die nächste Tür auf und hatte Glück. Das Zimmer war leer. Ich zerrte die Krankenschwester hinein, warf sie auf das leere Bett und schlug die Tür zu. Das Mädchen wollte sich aufrichten, doch da war ich schon neben ihr. Ich holte mein Amulett hervor und hielt es dem Mädchen vors Gesicht. Ihre Augen wurden groß. Sie konnte den Blick nicht von der Silberscheibe mit den seltsamen Motiven abwenden.
„Wer sind Sie?“ fragte ich sie.
„Schwester Nancy“, sagte sie stockend.
Ihr Gesicht war bleich, und Schweißtropfen standen auf ihrer Stirn.
„Ist Lucien Berval im Haus?“
„Ja“, sagte sie.
„Wo ist er?“
„Im ersten Stock“, sagte das Mädchen. Sie verfiel zusehends. Lange würde sie nicht mehr den Anblick des Amuletts ertragen. „Im Operationssaal.“
„Was tut er dort?“
„Er hat ein Mädchen bei sich“, sagte sie fast unhörbar. „Sybill Ferrand.“
Ich beugte mich erregt vor.
„Sybill Ferrand?“ fragte ich überrascht.
„Ja“, sagte die Schwester.
Ihr Gesicht war jetzt grau, und ihre Augen lagen tief in den Höhlen.
Also lebte Sybill Ferrand noch. Möglicherweise hatte de Buer auch Armand Melville am Leben gelassen.
„Wissen Sie, ob sich Armand Melville hier befindet?“
„Ja. Zimmer 21.“
„Wo ist dieses Zimmer?“
„Neben dem Operationssaal.“
Ich zog das Amulett zurück und steckte es ein. Schwester Nancy saß reglos wie eine Statue auf dem Bett. Es würde einige Tage dauern, bis sie sich erholt hatte. Ich kannte die Wirkung meines Amuletts auf Menschen, die von einem Dämon beherrscht wurden.
Ich warf der Erstarrten einen raschen Blick zu, dann stürmte ich auf den Gang hinaus und auf die Treppe zu, die in den ersten Stock führte. Blitzschnell rannte ich die Stufen hinauf.
Kein Mensch war zu sehen. Ich kam am Operationssaal vorbei. Eine rote Lampe leuchtete über der Tür. Nicht eintreten, stand auf einer Tafel.
Ich ging den Gang entlang und fand Zimmer 21. Die Tür war unversperrt. Ich trat ein, zog die Tür leise hinter mir zu, knipste das Licht an und kam näher.
Es stand nur ein Bett im Zimmer. Armand Melville lag auf dem Rücken und schlief. Ich setzte mich auf das Bett und rüttelte ihn. Er bewegte sich nicht. Ich rüttelte ihn stärker. „Melville!“ zischte ich. „Wachen Sie auf!“
Ich beugte mich vor und sah ihn genauer an. Er atmete sehr schwach. Seine Wangen waren eingefallen und mit schwarzen Bartstoppeln bedeckt.
Ich mußte Melville aufwecken. Er konnte mir vielleicht helfen. Aber ich hatte nicht viel Zeit. Sicherlich war de Buer schon über die Vorgänge und mein Eindringen unterrichtet worden. Melville stand entweder unter dem Einfluß eines starken Schlafmittels, oder de Buer hatte ihn mit Schwarzer Magie betäubt.
Wieder einmal mußte ich mein Amulett hervorholen. Melville krümmte sich zusammen. Meine Vermutung war also richtig gewesen. Melville war verhext.
Ich zog die Decke zur Seite, hob Melville aus dem Bett und legte ihn auf den Fußboden.
Dann kreuzte ich die Arme vor der Brust und flüsterte mit geschlossenen Augen einige Zaubersprüche. Als ich die Augen wieder öffnete, bewegte sich Melville leicht.
„Aufstehen!“ sagte ich ungeduldig.
Melville hob den Kopf und schlug die Augen auf. Sein Blick war starr.
„Aufwachen!“ sagte ich und gab ihm einen Stoß in den Rücken.
„Nicht!“ sagte er. „Lassen Sie mich in Ruhe!“
„Stehen Sie endlich auf, Melville!“
Ich riß ihn hoch.
„Ich will nicht“, maulte er wie ein trotziges Kind.
„Wir haben nicht viel Zeit“, sagte ich. „Reißen Sie sich zusammen!“ „Ich kann nicht, Garner. Ich bin zu schwach.“
Ich schleppte ihn zum Waschbecken, drehte den
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