075 - Der Kopfjaeger
Nullpunkt erreicht, als ich weiterfuhr. Ich ließ Versailles hinter mir und bog in die N 184 ein, die zu dieser Zeit wenig befahren war. Zwanzig Minuten später kam ich in St. Germain an. Vor einem Restaurant stellte ich den Wagen ab. Der Himmel war nun wolkenlos und von einem dunklen Blau. Es war schwül. Ich setzte mich in den Restaurantgarten, breitete die Landkarte vor mir aus und bestellte eine Zwiebelsuppe und ein Glas Bier. Die Zwiebelsuppe belebte meine Lebensgeister etwas, obwohl sie nicht meinen Erwartungen entsprach. Ich trank noch ein Bier und studierte die Landkarte.
Sartrouville war nur wenige Kilometer entfernt.
Ich dachte an Coco Zamis, meine Lebensgefährtin, und fühlte mich seltsam niedergeschlagen. In den vergangenen Tagen hatte ich meine Gedanken an sie und die anderen Gefährten unterdrückt. Ich wollte nicht an sie denken, doch ich sehnte mich nach ihr. Irgendwie kam ich mir verloren vor.
Hör sofort mit den Sentimentalitäten auf, ermahnte ich mich energisch.
Es hatte Vorteile, auf eigene Faust zu operieren. Das entsprach auch meinem Naturell, da ich eher ein Einzelgänger war. Aber manchmal kam ich mir verdammt einsam vor, so wie jetzt.
Ich konzentrierte mich auf die vor mir liegende Aufgabe und ging noch einmal alle Fakten durch, die ich über de Buer wußte. Er war einer jener Vampire, die das Sonnenlicht nicht besonders gut vertrugen. Er konnte zwar einige Stunden bei Tageslicht herumgehen, doch es schwächte ihn stark. Er war ein Vampir der alten Schule, aber mit besonderen Fähigkeiten ausgestattet. Ich wunderte mich, daß er noch nichts unternommen hatte, um mich in seine Gewalt zu bekommen. Aber wahrscheinlich war er seiner Sache zu sicher. Er wußte garantiert, daß ich in Erfahrung gebracht hatte, daß er sich hinter dem Namen Lucien Berval versteckte.
Im Augenblick fühlte ich mich nicht beobachtet. Ich trank noch einen Kaffee und blieb ruhig sitzen. Nichts geschah. Mir sollte es nur recht sein. Es war immer gut, wenn einen der Gegner unterschätzte. Ich war auf alles gefaßt, doch ich schätzte meine Chancen recht gut ein.
Schließlich zahlte ich und ging mehr als zwei Stunden lang durch St. Germain spazieren. Als es zu dämmern begann, kehrte ich zu meinem Wagen zurück.
Der Himmel war blutrot, als ich Sartrouville erreichte. Ich fragte nach dem Sanatorium, und der Weg wurde mir bereitwillig erklärt. Ich dankte und fuhr langsam weiter.
Das Sanatorium lag am Ende des Ortes. Eine gut ausgebaute Straße führte direkt hin. Das alte Haus war von der Straße aus kaum zu sehen. Eine mannshohe Steinmauer, die mit Efeu bewachsen war, säumte das Areal ein.
Ich steckte mir eine Zigarette an und wartete. Die Strahlen der untergehenden Sonne tauchten die Landschaft in blutrotes Licht.
Ich stieg aus, warf die Zigarette zu Boden und drückte sie aus. Plötzlich wurde ich nervös. Ich hatte mich auf meinem Kampf gegen de Buer gut vorbereitet, aber es gab zu viele Unsicherheitsfaktoren, die ich nicht berechnen konnte.
Ich schloß die Augen, entspannte mich und wurde langsam wieder ruhig. Schlendernden Schrittes näherte ich mich dem Sanatorium. In die Steinmauer war ein hohes Eisentor eingelassen, neben dem sich ein Pförtnerhaus befand. Ich blieb im Schatten einiger Eichen stehen und beobachtete das Tor.
Im Pförtnerhaus flammte ein Licht auf. Dann wurde das Tor geöffnet, und zwei hünenhafte Männer trafen heraus. Sie kamen auf mit, zu, und ich zog mich einige Schritte zurück. Es war nun zu dunkel geworden, um Einzelheiten erkennen zu innen.
Die beiden Gestalten waren schemenhafte Schatten. Ich war sicher, daß sie ausgeschickt worden waren, mich zu fangen. Wahrscheinlich hatte de Buer die Geduld verloren, noch länger darauf zu warten, bis ich etwas unternahm.
Ich preßte mich hinter einen Baumstamm und sagte scharf: „Bleiben Sie stehen!“
Doch die beiden Gestalten gingen ruhig weiter. Sie waren nur noch zehn Meter entfernt. Beide hielten große Pistolen in der rechten Hand.
Ich hatte wenig Lust, mich mit den Kerlen in einen Kampf einzulassen, rannte ein Stück zurück und wandte mich dann nach rechts.
Die schweren Schritte meiner Verfolger waren überlaut zu hören. Ich entfernte mich weiter vom Sanatorium, aber es gelang mir nicht, die Männer abzuschütteln. Im Gegenteil, sie kamen immer näher. Ich hatte den Eindruck, die Dunkelheit war kein Hindernis für sie.
Ich rannte einen schmalen Feldweg entlang, hechtete eine Böschung hinauf und erreichte die
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