075 - Der Spinnenküsser
an.
Was wollte Olivaro von ihr, wollte er sie in eine Falle locken? Sie traute ihm nicht. Zu lange hatte sie gezwungenermaßen an seiner Seite verbracht. Sie war an seinem Untergang teilweise schuld gewesen. Olivaro haßte sie. Sie hatte lange nichts mehr von ihm gehört. Sie hatte Olivaro geschworen, daß sie ihn töten würde. Aber hier war nicht der richtige Ort. Sie konnte ihm nichts antun, da sich sonst sofort alle Dämonen gegen sie gewandt hätten. Andererseits durfte er sie aber auch nicht töten, sonst wäre er geächtet worden.
Coco dachte lange nach. Dabei ließ sie Beatriz und das Spinnenmonster nicht aus den Augen. Schließlich faßte sie einen Entschluß. Sie würde Olivaro aufsuchen. Es war immer gut, wenn man wußte, was der Gegner vorhatte.
Sie suchte nach Barrabas Abadie, konnte ihn aber nirgends sehen und wunderte sich, daß der Dämon nicht an der Party teilnahm.
Jetzt hatten alle Dämonen ihre Masken fallen lassen. Schreie und Stöhnen waren zu hören und immer wieder höhnisches Gelächter, das durch Mark und Bein ging.
Coco hatte nie etwas für die perversen Vergnügungen der Dämonen übriggehabt; jetzt fand sie sie widerlich. Sie hoffte sehnsüchtig, daß Beatriz und das Spinnenmonster endlich den Saal verlassen würden.
Dann war es soweit. Die beiden verließen den Saal. Coco wartete einige Sekunden, ehe sie ihnen folgte. In der Saaltür blieb sie einen Augenblick stehen. Beatriz und das Spinnenmonster betraten den Hof. Coco lief ihnen nach, doch im Hof verlor sie die Spur der beiden. Es war dunkel. Nur der Mond spendete schwaches Licht. Coco rannte zwischen den Zelten und Buden hin und her, dann versetzte sie sich in den rascheren Zeitablauf. Sie kam gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie die beiden wieder das Haus betraten. Unauffällig folgte sie ihnen weiter. Die beiden gingen auf das Tor zu, das ins Freie führte.
Coco zögerte. Sie fürchtete, in eine Falle zu laufen. Es war ein gewaltiges Risiko für sie, das Fort zu verlassen. Hier im Freien konnte sie angegriffen werden; hier war sie nicht mehr tabu.
Beatriz und das Spinnenmonster verschwanden in einem Laubenwald. Coco konnte sie nicht mehr sehen.
Das Risiko ist zu groß, entschied Coco. Ich verlasse das Fort nicht. Sie wartete aber.
Dann hörte sie den unmenschlichen Schrei. Es war Beatriz, die in höchster Todesangst schrie. Ihre Schreie wurden immer lauter, dann war ein schmatzendes Geräusch zu hören.
Jetzt gab es für Coco kein Zögern mehr. Sie öffnete die Handtasche und zog eine Spezialpistole hervor, die daumendicke, geweihte Eichenbolzen verschoß, eine Waffe, die es mit jeder herkömmlichen Pistole aufnehmen konnte. In die Linke nahm sie eine dünne Taschenlampe, die Tasche warf sie sich über die Schulter und dann lief sie in die Richtung, aus der die Schreie kamen.
Sie betrat den Wald. Die Schreie waren verstummt, nur noch das schmatzende Geräusch war zu hören. Zögernd schlich Coco näher. Das Schmatzen wurde immer lauter. Nach fünfzig Metern blieb Coco wieder stehen. Kein Laut war mehr zu hören. Es war unnatürlich still. Das Brechen eines Astes ließ sie zusammenzucken.
Vorsichtig ging sie weiter. Der Mond kam hinter einer Wolkenbank hervor und überschüttete den Wald mit silbrigem Licht.
Coco preßte sich die linke Hand vor den Mund. Ihre Augen weiteten sich.
Beatriz da Costa hing von einem Ast. Ihr Körper war völlig nackt. Zu ihren Füßen lag ihr Kostüm. Beatriz war in einen Kokon von fingerdicken Spinnweben eingewickelt. Ihr Körper war mit riesigen Bissen übersät.
Coco knipste die Taschenlampe an und leuchtete Beatriz ins Gesicht. Die Augen der Vampirin waren weit aufgerissen. Sie war nicht tot; sie lebte noch. Das gefangene Mädchen winselte leise. Wieder brach ein Ast. Coco richtete die Taschenlampe nach rechts und sah das Spinnenmonster, das geduckt auf sie zuschlich. Sie hob die Pistole und drückte ab. Der Bolzen bohrte sich in den Leib des Monsters, das sich davon aber nicht aufhalten ließ.
„Erlöse mich von meinen Qualen!" winselte Beatriz.
Coco schoß nochmals auf das Spinnenmonster. Diesmal hatte sie auf den Kopf gezielt, verfehlte ihn jedoch.
Hinter dem Spinnenmonster tauchten faustgroße Vogelspinnen auf. Es mußten mindestens fünfzig sein. Es war ein grauenvoller Anblick. Die Spinnen krochen übereinander und kamen rasch näher. Coco hatte keine andere Wahl: Sie mußte fliehen. Das Spinnenmonster war nur noch wenige Meter entfernt. Es griff mit den riesigen Armen nach
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