075 - Die Wahnsinnsbrut des Dr. Satanas
Falupa fing an, seine Flaschenbatterie im Regal hinter der Theke aufzuräumen. »Keiner
von uns kennt Satanas wirklich. Aber wir alle wissen von ihm. Solange wir ihn
in Ruhe lassen, läßt auch er uns in Ruhe. Er ist ein Zauberer, es ist nicht
gut, etwas gegen seinen Willen zu tun. Wir alle wissen, daß er es nicht mag,
wenn jemand zu ihm kommt, den er nicht gerufen hat. Daran halten wir uns. Du
hast dieses ungeschriebene Gesetz überschritten und wirst die Konsequenzen zu
tragen haben !«
Juan de Mayos
Hirn war schon so vom Alkohol umnebelt, daß er nur noch die Hälfte mitbekam. Er
winkte ab. »Was kann mir schon passieren? Ich habe Geld genommen für etwas… was
ich nicht hätte tun sollen… schön… oder auch nicht schön… dann nehm ich morgen das Geld und setz alles auf einmal beim
ersten Hahnenkampf… ich werd es verlieren. Dr.
Satanas ist ein Magier. Er wird Mittel und Wege finden, daß das zu Unrecht in
meine Hände geratene Geld wieder verschwindet… simsalabim !
Weg ist es…«
»Du darfst
zufrieden sein, wenn nur das eintritt .« Mauricio Falupa rückte geräuschvoll seine Flaschen zurecht. »Dr.
Satanas kann noch mehr. Er kann Krankheit und Tod schicken, um den Ungehorsamen
zu bestrafen .«
●
Juan de Mayo
war der letzte, der das Wirtshaus verließ.
Er hatte
keinen festen Wohnsitz und schlief und blieb da, wo es ihm gerade gefiel.
In der
Vergangenheit war es nicht selten vorgekommen, daß einer seiner Freunde ihn
einlud, mit ihm nach Hause zu gehen. Es waren einfache, arme Menschen, die bei
Mauricio verkehrten. Doch sie hatten das Herz auf dem rechten Fleck. Heute
allerdings konnte Juan de Mayo nicht erwarten, daß einer ihn nach Hause einlud.
Sein Verhalten glich einer Beleidigung.
Vielleicht
hatte er wirklich unglücklich gehandelt. Er war ein Kind dieser Gegend, war
hier groß geworden und hatte auch kurz vor seinem Weggehen vor zwei Jahren von
dem geheimnisvollen Dr. Satanas gehört. Er hatte gelernt, darüber zu schweigen.
Doch in Punta del Este, dem mondänen Badeort an der uruguayischen Riviera,
hatte er scheinbar einen gewissen Abstand zu den Dingen gewonnen. Dort hatte er
von dem Mitleid der Reichen und Touristen gelebt, war wie ein Zigeuner
weitergewandert und schließlich wieder in Montevideo gelandet.
Hier war er
auf den Amerikaner gestoßen, auf Fred Martin, der einiges über Dr. Satanas
gehört hatte, aber nichts Genaues wußte.
Müde
schlenderte der Alte von dem dunklen Gebäude weg. Alle Lichter im Innern der
Wirtsstube waren erloschen. Juan de Mayo zog fröstelnd die Schultern hoch. Die
Nächte waren empfindlich kalt, wenn der Wind vom Meer blies.
Der einsame
Spaziergänger wanderte bis zur ersten morschen Bretterbude, in der sich
quietschend eine schiefhängende Tür in den Angeln bewegte.
Juan de Mayo
betrat die finstere Bude. Das Dach war durchlässig. Wenn es kräftig regnete,
bekam er auch hier drin einen anständigen Guß. Juan riß ein Streichholz an,
suchte sich die bequemste Ecke aus, ließ sich auf den Boden fallen, wo eine
zerschlissene Matratze und ein Stoß muffig riechender Lumpen lagen, und gähnte
herzhaft. Hier hatte er schon mehr als einmal übernachtet. Kein Mensch störte
ihn. Dies hier war sein Reich.
Er überlegte,
ob er auch morgen noch bleiben sollte, oder ob es vielleicht besser war, von
hier zu verschwinden, bis Gras über den Ärger gewachsen war, den er durch sein
Verhalten in die Welt gesetzt hatte.
Er lehnte
sich zurück, blinzelte mit seinen runzligen Augenlidern und gab sich keine
Mühe, das Ungeziefer zu vertreiben, das aus dem feuchten, riechenden Stoffberg
hervorquoll und über seinen Körper lief.
Er schloß die
Augen, zog die Beine an und schlief schnell ein…
Juan de Mayo
träumte.
Er ging eine
endlose Straße entlang. Die Luft war stickig, am Himmel hingen massige
Wolkenberge. Es fiel ihm auf, daß die Bäume am Straßenrand klein, kahl und
verkrüppelt waren. Etwas Beklemmendes, Unheilvolles lag in der Luft.
Vom anderen
Ende der schnurgeraden Straße, die direkt in den diesigen Horizont zu führen
schien, löste sich ein dunkler Punkt. Juan merkte, daß ihn unerklärliche Angst
überfiel. Er warf sich im Schlaf hin und her, ohne es zu bemerken. Er spürte,
daß er bedroht wurde, konnte sich jedoch über die Art der Bedrohung nicht
klarwerden…
Die Luft war
windstill, und doch bewegten sich mit einem Mal die mächtigen, knorrigen Äste
der fremdartigen Bäume. Täuschte er sich oder war es Wirklichkeit?
Weitere Kostenlose Bücher