0758 - Die Einsamen von Terra
seltsam berührt. Begriffe wie „rücksichtslos" waren ihm bisher fremd gewesen.
Unwillkürlich lauschte er in sich hinein.
Irgend etwas war mit ihm geschehen.
Eine Veränderung!
Er empfand plötzlich Dinge als bedeutsam, über die er sich bisher niemals Gedanken gemacht hatte. Seine Betrachtungsweise hatte sich nicht in rationaler, sondern in emotionaler Form geändert.
Speideck begriff, daß er zu Gefühlen fähig war, die er bisher überhaupt nicht gekannt hatte.
Er fuhr hoch.
„Cersivon!" Jetzt schrie er. „Hat mir vielleicht irgend jemand eine PILLE verpaßt, als ich nicht bei Bewußtsein war?"
Speideck hatte sich immer geweigert, die PILLE zu nehmen. Er hatte die letzten Tage vor dem Sturz in den Schlund auf seine Weise verbracht: Hier im Trainingslager des SWAL-LOP-HAUSES.
Trotzdem: Er war krank, er war nicht mehr aphilisch. Obwohl es dafür keine direkten Anhaltspunkte gab, fühlte Speideck, daß er an Non-Aphilie erkrankt war.
Seine Unruhe hielt nicht lange an, dann begann er Zufriedenheit über seinen neuen Zustand zu empfinden. Es war, als würde er sich selbst neu entdecken, als wären bisher die besten Seiten seines Wesens tief in seinem Innern verborgen gewesen.
Und so war es wohl auch!
Speideck erhob sich und taumelte durch den Ring.
Sekundenlang hielt er sich an den Seilen fest, dann kletterte er über sie hinweg in die Halle.
Speideck war fast zwei Meter groß und muskelbepackt. Sein Gesicht sah gerötet aus, über den großen hellblauen Augen waren die Brauen nur andeutungsweise erkennbar. Jans Gesicht war breit, fast grobschlächtig und wirkte durch das von einer Hautfalte in der Mitte fast gespaltene Kinn wenig anziehend.
Speideck hatte seine strohblonden Haare, die ihm bis zu den Schultern reichten, mit einem Band aus Schlangenhaut zusammengebunden.
Speideck ging in dem ihm eigenen trottenden Schritt bis zum Baderaum und stieß die Tür auf. Galt war nicht da, es deutete auch nichts darauf hin, daß jemand in den letzten Stunden geduscht hatte.
Mit den Zähnen öffnete Jan die Verschlüsse seiner Handschuhe und zog sie von den Händen, dann nahm er die Bandagen von den Handgelenken ab.
Vielleicht hatte Cersivon Galt Angst bekommen, weil er so fest zugeschlagen hatte, und war gegangen.
Speideck sah durch das Fenster. Es war dunkel. Seltsam, daß draußen weder Licht noch das Glühen des Schlundes zu sehen war.
Als Speideck an der Tür vorbeiging, machte er eine seltsame Entdeckung. Der Schlüssel stak noch im Schloß. Es war von innen abgeschlossen.
Wenn Galt gegangen war - wie hatte er dann ohne Schlüssel von außen wieder die Tür verriegeln können?
„Cersivon!" schrie Speideck. „Warum versteckst du dich?"
Er begann alle Nebenräume zu durchsuchen, aber er fand seinen Sportkameraden nicht. Aber Galt konnte nicht gegangen sein, dagegen sprach die verriegelte Tür.
War er, Speideck, vielleicht vorübergehend erwacht und hatte Galt hinausgelassen?
So sehr er sich auch anstrengte, Speideck konnte sich nicht an einen solchen Vorgang erinnern.
Aber Galt konnte sich njcht einfach in Luft aufgelöst haben.
Speideck begab sich erneut zur Tür, schloß auf und öffnete.
Unwillkürlich wich er zurück. Eiskalter Wind fuhr ihm entgegen.
Schneeflocken wurden hereingewirbelt. Draußen herrschte vollkommene Dunkelheit.
Warum waren die umliegenden Häuser nicht beleuchtet? überlegte der riesenhafte Mann. Im Gegensatz zu seiner Halle, die eine autarke Energieversorgungsanlage besaß, wurden die Gebäude ringsum von zentralen Stellen mit Energie versorgt.
War diese Zufuhr unterbrochen worden?
Vielleicht aus Sicherheitsgründen?
Speideck ging in die Umkleidekabine und zog seine Armbanduhr aus der Jackentasche, um festzustellen, wie lange er bewußtlos dagelegen hatte.
Seine Augen weiteten sich, als er auf das Zifferblatt blickte.
4. Januar 3582.
Der Sekundenzeiger der Uhr bewegte sich, ein sicheres Zeichen dafür, daß sie funktionierte. Offensichtlich hatte sich jemand einen schlechten Scherz erlaubt und die Uhr vier Monate vorgestellt. Wahrscheinlich war Galt dafür verantwortlich.
Speideck kleidete sich an. Plötzlich fühlte er sich ratlos. Er fragte sich, was er nun tun sollte. Draußen auf den Straßen trieben sich zu Tausenden Verrückte herum, die die PILLE geschluckt hatten. Roboter versuchten zwar Ordnung zu schaffen, aber sie hatten längst die Kontrolle über die Ereignisse verloren.
Speideck ertappte sich bei dem Gedanken, daß er insgeheim mit den durch
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