0758 - Die Einsamen von Terra
verschiedenen Stadtteilen zu schweren Zusammenstößen gekommen. Dabei hatte der Mob genug Zerstörungen ausgelöst.
Kanube verließ den Beobachtungsplatz am Fenster.
Er mußte über die Nottreppe in die nächsttiefere Etage, denn der Lift funktionierte nicht. In der dritten Etage befanden sich die Büro- und Verwaltungsräume. Auch sie waren verlassen.
Die Menschen, die hier gearbeitet hatten, waren offenbar sehr schnell aufgebrochen.
Im Vorraum des Archivs entdeckte Kanube auf einem Tisch sieben Tabletten.
PILLEN! dachte er überrascht. Selbst hier, in einer von Aphilikern aufgebauten Heilanstalt. Alle Kalenderuhren in den Büroräumen zeigten das Datum vom 4. Januar 3582.
Kanube fand ein paar Zeitungen. Sie alle datierten noch vom August 3581.
Im Aufenthaltsraum fand er eine Ausgabe von TERRANIA-CITY-UNIVERSAL. Erscheinungsdatum war der 1. September 3581. Die dreidimensionale Überschrift fragte: FINDET DER WELTUNTERGANG MORGEN STATT?
- Wissenschaftler errechnen 2. September als Katastrophentag - - An den Folgen der PILLE erkrankte Bevölkerung apathisch - Kanube ließ sich in einen Sessel fallen und las die gesamte Zeitung. Sie beschäftigte sich ausschließlich mit dem bevorstehenden Ereignis. Zweifellos waren alle Artikel von Aphilikern verfaßt worden, denn in allen Artikeln wurden die Menschen, die die PILLE nahmen, mit scharfen Worten verurteilt.
Zwischen den Zeilen konnte Kanu-be lesen, daß die Regierung nicht mehr in der Lage war, die Flut von PILLEN auf der gesamten Welt einzudämmen. In einem anderen Bericht wurde darüber spekuliert, ob es eine Möglichkeit des Weiterlebens nach dem Sturz in den Schlund gab. Der Verfasser war sehr pessimistisch.
Kanube faltete die Zeitung zusammen und warf sie auf den Tisch. Er schloß die Augen und dachte nach.
Ein phantastischer Gedanke durchzuckte ihn.
Hatte der Sturz der Erde in den Schlund des Mahlstroms vielleicht schon stattgefunden?
War tatsächlich bereits der 4. Januar 3582?
Der untersetzte Mann war sich darüber im klaren, daß er hier wahrscheinlich keine Antwort finden würde. Er rollte mit dem Sessel zu einem anderen Tisch und ergriff das Videophon. Alle Anschlüsse waren tot. Kanube versuchte, willkürlich Verbindungen in andere Städte zu bekommen. Niemand nahm seinen Anruf entgegen.
Kanube runzelte die Stirn. Er konnte sich seinen Mißerfolg nur damit erklären, daß das Gerät defekt war.
Einer inneren Eingebung folgend, begab er sich zur Fernsehwand, die im Aufenthaltsraum installiert war. Er warf einen Blick auf die Uhren und zuckte mit den Schultern.
Er schaltete die Bildwand ein. Sie blieb dunkel. Entweder war auch sie defekt, oder es wurde kein Programm mehr ausgestrahlt.
Kanube merkte, daß er vor innerer Erregung zu zittern begann.
Ein unglaublicher Gedanke steigerte sein Entsetzen.
Irgend etwas Schreckliches war geschehen, aber er, Sante Kanube, war aus unerklärlichen Gründen aus diesen Ereignissen ausgeklammert worden.
In diesem Augenblick erklang ein Geräusch.
Kanube zuckte zusammen.
Irgendwo hustete ein Mensch.
2.
Der Schmerz, dachte Jan Speideck wütend und überrascht zugleich, reichte von der Kinnspitze bis zum Hinterkopf. Der Schlag, mit dem Cersivon Galt ihn getroffen hatte, war ein richtiger Knockout gewesen - den ersten, den Speideck in seiner Laufbahn als Profiboxer hatte hinnehmen müssen.
(Das war im Grunde genommen nicht weiter verwunderlich, denn „Thor, der letzte Profiboxer", wie Speideck sich auch nannte, hatte niemals einen wirklichen Kampf ausgetragen, sondern war immer nur gegen Sparringspartner angetreten).
Die Vorgänge im Mahlstrom hatten Galt offensichtlich ein bißchen unbeherrscht gemacht, sonst hätte er bestimmt nicht so hart zugeschlagen.
Jan Speideck hob mühselig den Kopf. Er lag auf dem Rücken im Ring. An der Wand hinter den Seilen hing ein von Speideck selbst gefertigtes Plakat, auf dem er mit nacktem Oberkörper und Boxhandschuhen in kämpferischer Haltung zu sehen war. In knallroten Buchstaben stand unter dem Bild: THOR, DER LETZTE PROFIBOXER.
„Cersivon!" flüsterte Speideck. „Komm her und hilf mir hoch!"
Als sich nichts rührte, sah Speideck sich im Ring um.
Galt war nicht da.
Speideck spie den Mundschutz aus und drehte langsam den Kopf. Er hörte seine Nackenwirbel knacken.
„Galt!" rief er lauter, denn es war immerhin möglich, daß sein Sparringspartner bereits unter der Dusche stand. „Du rücksichtsloser Schläger."
Komisch! dachte Jan Speideck
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