0759 - Die Nacht der Höllenfürstin
Anrufung durchgeführt zu haben. Wirklich sehr nachlässig.
Stygia änderte das Muster, formte das Sigill um in das von Rico Calderone. Zugleich legte sie einen magischen Schleier darüber, sodass der Sektenführer die Veränderung nicht gleich bemerkte. Es konnte immerhin sein, dass er das verschlungene Muster auswendig kannte und die Vorlage nicht benötigte -dann würde ihm sofort auffallen, dass dieses Sigill ein wenig anders gestaltet war.
Stygia entfernte sich wieder. Gerade noch rechtzeitig, denn der alte Mann betrat die Kammer mit den magischen Utensilien.
Es roch ein wenig nach Schwefel.
Er rümpfte die Nase und sah sich misstrauisch um. Doch nichts hatte sich verändert. Das Fenster war ebenso verriegelt wie vor seinem Eintreten die Tür. Es konnte niemand hier gewesen sein, der diese Ausdünstung hervorrief.
Der Sektenführer nahm das Sigill -muster an sich. Irgendwie hatte er den Eindruck, dass damit etwas nicht in Ordnung war, aber es wirkte alles völlig normal.
»Ich werde alt«, murmelte er noch, bevor er seine Vorbereitungen fortsetzte.
***
Stygia hatte sich nicht sehr weit entfernt. Sie wollte keinen zu starken Schwefeldunst hinterlassen, um den Sektenführer nicht misstrauisch zu machen. Zudem wollte sie dem gefangenen Opfer einen Besuch abstatten.
Sie materialisierte in genau dem Raum, in welchem es gefangengehalten wurde.
Es war ein junger Mann, der gefesselt auf einer Pritsche lag. Durch ein kleines, vergittertes Fenster fiel ein wenig Licht in den Kellerraum. Als Stygia aus dem Nichts erschien, zuckte er zusammen, versuchte, seinen Oberkörper aufzurichten, was ihm nicht gelang, und sah die Dämonin aus großen Augen an.
Vermutliçji befürchtete er, dass jetzt seine letzte Stunde gekommen war, denn immerhin zeigte sie sich ihm in ihrer geflügelten und gehörnten Höllengestalt.
Langsam trat sie auf ihn zu.
Er ruckte auf der Pritsche hin und her, versuchte, vor Stygia zurückzuweichen - vergeblich. Hinter ihm befand sich die Kellerwand.
Sie betrachtete ihn eingehend. Er war jung, höchstens achtzehn oder neunzehn Jahre.
Erstaunlich, dachte die Dämonin.
Normalerweise war es üblich, dass Frauen geopfert wurden. Aber Astardis war ein Gestaltwandler, so wie Asmodis, und so wie es Lucifuge Rofocale gewesen war. Das heißt, ein echter Wandler war er eigentlich nicht, sondern er hatte immer einen Doppelkörper ausgesandt, den er nach seinen Vorstellungen formen konnte, während sein Originalkörper in seinem Versteck in der Hölle verblieb. Bis Nicole Duval ihn dort eher zufällig aufgespürt und unverzüglich getötet hatte…
Stygia wusste, dass Astardis hin und wieder auch in Gestalt einer Frau aufgetreten war, so wie es auch Asmodis bisweilen tat. Sollte sich Astardis diesen Sektierern ebenfalls als Frau gezeigt haben?
Dann ergab es natürlich einen praktischen Sinn, einen Jüngling zu opfern.
Wie auch immer: Es kam ihr sehr entgegen. Besser konnte es kaum noch sein!
Sie beugte sich über ihn. Er wollte schreien, doch sie hinderte ihn mit einem Zauber daran. Sie packte ihn und teleportierte mit ihm in die Hölle. Dorthin, wo Giscard Bellaux noch auf sie wartete…
***
Irgendwo mitten im Dorf wollte Zamorra den Befreiungsversuch natürlich nicht starten. Das erregte zu viel Aufmerksamkeit. Andererseits wollte sich Asmodis auch nicht zu weit vom Haus entfernen, um es sich nicht schwerer zu machen als nötig. Immerhin musste er den Transit in die Hölle nun tatsächlich neu berechnen. Das Problem war, dass er nur wusste, wohin Bellaux entführt worden war, aber nicht exakt, wo sich diese Stelle befand! Er besaß die »Positionsdaten«, aber kein Bild des Ortes.
Nicole hatte, als sie Zamorras »Einsatzkoffer« aus dem Château geholt hatte, auch die beiden Blaster mitgebracht, die Dynastie-Strahlwaffen, die je nach Einstellung betäubten oder Laserstrahlen verschossen. Abgesehen von Zamorras Amulett waren das immer noch die wirksamsten Waffen gegen Dämonen.
Sie bereiteten sich darauf vor, gegen gleich zwei Dämonen antreten zu müssen, gegen Stygia und zugleich auch gegen Calderone. Zamorra durchschaute das teuflische Spiel noch nicht und rechnete vorsichtshalber mit dem Schlimmsten.
Nun warteten sie darauf, dass Asmodis sie mit sich nahm in die Hölle!
***
Nichts hatte sich in der Zwischenzeit verändert. Stygia lächelte hintergründig, als sie zunächst den brav wartenden Bellaux und dann den Jüngling ansah.
Bellaux konnte gar nichts anderes tun, als brav zu warten.
Weitere Kostenlose Bücher