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076 - Mimikri

076 - Mimikri

Titel: 076 - Mimikri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Pukallus
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Pflichterfüllungsprogramm der Lesh'iye , einen Gedanken an die Befreiung der ebenso in Kokons gefangenen Menschen zu verschwenden.
    ***
    Mit einem schrillen Kreischen zerbarst die Transportröhre.
    Ein Grauen, wie er es sonst nur aus seinen schlimmsten Albträumen kannte, donnerte auf Dave McKenzie zu.
    Kaum hatte der Erdstoß dröhnend an der unterseeischen Erdkruste gerüttelt, da rutschten riesige Mengen an Gesteinsund Sandschichten abwärts.
    Plötzlich lag die Transportröhre bloß.
    Dem Verdrehen und Verrenken durch ungeheure gegensätzliche Kräfte hatte sie unmöglich standhalten können.
    Der Astrophysiker hatte geglaubt, mittlerweile ausreichend abgebrüht zu sein. Er stammte aus einer streng katholischen Familie. In seiner Jugend hatte er - in einer Welt, die nicht mehr existierte - die brutalen Verhältnisse unter großstädtischen Straßengangs kennen gelernt. Er war Pilot der US Air Force geworden und hatte eine Astronautenausbildung absolviert.
    Inzwischen hatte er auch eine konkrete Vorstellung von der postapokalyptischen Erde, auf der seit dem Einschlag des Kometen »Christopher-Floyd« im Februar 2012 überwiegend ungemütliche Zustände herrschten. Sein Leben nach dem Zeitsprung ins Jahr 2516 war reich an Abenteuern geworden, von denen er manche lieber versäumt hätte.
    Trotz allem versuchte er sein sonniges Gemüt zu bewahren. Ein nahezu unausrottbarer Optimismus verlieh ihm den innerlichen Halt, den er brauchte, um selbst bei den schrecklichsten Geschehnissen das Glas noch halb voll zu sehen.
    Selbstverständlich wusste er, dass es Seebeben gab. Aus der Vergangenheit, unter die »Christopher-Floyd« einen endgültigen Schlussstrich gezogen hatte, war ihm das Phänomen als zerstörerische Naturkatastrophe geläufig.
    Aber er hatte noch nie eines selbst miterlebt.
    Vor allem hatte nicht aus dieser Nähe .
    Quart'ol - einer der beiden Hydriten, die ihn und Rulfan von London nach Russland bringen sollten - schaltete einen Ausschnitt der milchigen Transportqualle auf Durchsicht. Und da erblickte Dave, was er noch nie gesehen hatte. Und auch liebend gern nie gesehen hätte.
    Eine grünschwarze Wand aus Abermillionen Tonnen Meeresboden walzte heran und schob eine Wasserdruckwelle vor sich her. Man fühlte ihre Annäherung durch ein anwachsendes, taubes Gefühl in den Ohren. Ein Brausen, das nicht bloß das Gehör, sondern auch die übrigen Sinne betäubte, toste nördlich der russischen Küste durch den Ozean. Beides zusammen raubte Dave den Atem.
    Er öffnete den Mund, um sich in seiner Ratlosigkeit an Quart'ol und Mer'ol zu wenden. Wenn irgend jemand dieser Bedrohung begegnen konnte, dann nur die zwei Hydriten. Doch er brachte keinen Ton über die Lippen.
    Nach Dave McKenzies Überzeugung gab es für jedes Problem eine Lösung.
    Das hatte er sich selbst mehr als einmal bewiesen.
    Aber nicht hier. Er befand sich in den Tiefen des Meeres. Und das Meer kam auf ihn zu.
    Die Folge war eine vollkommene Lähmung.
    Er befand sich Auge in Auge mit dem Tod, und er fühlte sich allein.
    Vollkommen allein.
    Mickey! , wollte er schreien. Mickey, das ist das Ende! Doch seine eingeschnürte Kehle blieb stumm. Und sein toter Bruder, mit dem er sich im Geiste oft unterhielt, hätte auch nicht geantwortet.
    »Achtung!« , rief Quart'ol auf Englisch.
    »Haltet euch fest!«
    Während ringsum die Trümmer der Transportröhre davon trudelten, geriet die Transportqualle unter der Druckwelle der Wassermassen ins Schlingern.
    Gleichzeitig verzerrte sich ihre Form dramatisch. Die beiden Menschen an Bord konnten nur hoffen und beten, dass sie die künstliche Atmosphäre im Inneren halten konnte.
    An Rulfans Seite sträubte Wulf, der Lupa, seine Nackenhaare und fletschte die Zähne. Der mutierte Wolf spürte die Gefährlichkeit der Situation und stieß ein grimmiges Knurren aus.
    Die Wucht, mit der die Druckwelle die bionetische Qualle rammte, warf Dave rücklings in den glibberigen Sitz.
    Von der Decke baumelnde glitschige Auswüchse klatschten ihm ins Gesicht, doch die Tentakelgurte verhinderten Schlimmeres. Die Brille rutschte ihm von der Nase, aber er fing sie mit den Händen auf.
    Rulfan stieß einen Fluch aus. Wulf kläffte einige Male. Doch auch ihr Gurtsystem bewährte sich.
    Anscheinend behielten die zwei Hydriten vollauf die Nerven.
    »Jede Qualle ist im Rahmen implantierter Dressurcodes auf Notfälle aller Art eingestellt« , ergänzte Mer'ol die Warnung seines Artgenossen. Auch er sprach Englisch, zwar etwas

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