0760 - Die Geisterfee
freilag. Auch sie mußte noch geschminkt werden, und sie wollte schon beginnen, als sie etwas hörte.
Kyle ließ den Stift sinken. Sie drehte sich nicht um, sondern veränderte nur ihre Haltung, denn jetzt konnte sie, wenn sie in den Spiegel schaute, auch die schmale Tür sehen, die aus dem Bad in den winzigen Flur hineinführte.
Die Tür hatte sie nicht geschlossen. Kyle konnte aber auch nicht sehen, was hinter dem Spalt lag, denn dort breitete sich die graue Düsternis aus und schien selbst die Wände verschluckt zu haben.
War sie einem Irrtum erlegen, oder hatte sie tatsächlich etwas gehört? Mit Bestimmtheit konnte sie das nicht sagen, aber irgend etwas hatte sich in der Wohnung verändert, und wenn es einfach nur die Atmosphäre an sich gewesen war.
Eine besondere Atmosphäre, denn das kleine Zimmer war sehr düster eingerichtet, und selbst die Lampen hatte sie abdunkeln lassen, um ihre Gesinnung auch nach außen hin zu dokumentieren.
Kyle Wayne konzentrierte sich auf die Tür. Ihre dunklen geschminkten Augen verengten sich dabei zu Ovalen. Sie hatte einfach den Eindruck, als würde sich die Tür bewegen oder zittern. Doch es hielt sich niemand außer ihr in der kleinen Wohnung auf, und Durchzug herrschte ebenfalls nicht.
Daß sie keine Furcht bekam oder nicht in Panik verfiel, mochte daran liegen, daß sich die Frau dem Teufel voll und ganz verschrieben hatte. Es war nicht einmal beruhigend gedacht, als sie anfing zu lächeln. Sie konnte sich vorstellen, daß der Satan versuchte, auf eine besondere Art und Weise mit ihr in Kontakt zu treten. Außerdem sah sie sich unter dem Schutz der Hölle.
Nichts geschah.
Trotzdem war etwas passiert. Kyle Wayne mußte einfach davon ausgehen. Sie verließ sich dabei voll und ganz auf ihr Gefühl und war noch immer davon überzeugt, Besuch bekommen zu haben.
Auf der Spiegelfläche zeigte sich nichts.
Sie drehte sich wieder um. Erst zögernd, dann schneller und dabei mit ausgebreiteten Armen schritt sie der Tür entgegen, die nun tatsächlich zitterte, so daß die Hexe stehenblieb.
Jemand bewegte sie…
Es mußte irgendeine Kraft sein, die ihr persönlich nicht eben positiv gegenüberstand. Dieses Zittern der Tür ließ auch Kyles Nerven vibrieren. Beinahe schon lagen sie blank.
Sie sah den Schweiß auf ihrer Haut. Die Tür ließ sie nicht aus den Augen, und plötzlich stand das Blatt wieder still. Kein Vibrieren, nicht die geringste Bewegung, absolute Stille.
Hatte sie sich doch geirrt?
Nein, bestimmt nicht. Es war jemand da gewesen, sie wußte nur nicht, wer oder was sie besucht hatte. Doch sie wollte herausfinden, ob sich das Etwas noch in der Wohnung aufhielt, und deshalb verließ sie auch das kleine Bad.
Sehr vorsichtig und auch sichernd setzte sie ihre Schritte. Sie dachte an eine Waffe, die sich im Wohnraum befand. Es war ein langes Opfermesser mit in den Griff eingeritzten Teufelsgesichtern.
In einem mitternächtlichen Ritual hatten sie es dem Satan geweiht, und diese Waffe gab ihr den nötigen Mut.
Den schmalen Flur hatte sie schnell durchquert. Er verdiente seinen Namen nicht einmal, so winzig war er. Die Tür zum Wohnraum hatte sie außen braun gelassen, innen aber schwarz gestrichen.
Darauf schrieb sie mit roter Farbe einen blasphemischen Spruch.
Mit dem Fuß trat sie die Tür auf.
Kyle schaute zu, wie sie nach innen schwang und an einer bestimmten Stelle stoppte. Auch das war normal und nichts Besonderes.
Auf ihrer Oberlippe spürte sie einen feuchten Schweißfilm. Die Hexe wischte ihn nicht weg. Mit schleichenden Schritten betrat sie ihr düsteres Reich.
In dem Raum gab es ein Fenster. Die Scheibe allerdings war nicht zu sehen, weil der dunkle Vorhang sie verdeckte. Licht brauchte sie nicht, erst recht keinen Sonnenschein. Wenn sie lesen wollte, schaltete sie ihre düsteren Lampen ein. Ihr Schein reichte aus, um sie die Buchstaben erkennen zu lassen. Oft zündete sie auch die schwarzen Kerzen an, die ebenfalls dem Teufel geweiht waren. Sie steckten in silbernen Leuchtern, die Kyle Wayne auf einem Flohmarkt gestohlen hatte.
Sie trat auf den dunklen Teppich mit dem weißen Dreieck in der Mitte. Es zeigte zudem die stilisierte Fratze des Höllenherrschers. Überall sah man ihn, auch auf Postern an den Wänden.
Vor dem schmalen Tisch blieb sie stehen und starrte auf die dunkle Glasplatte. Noch immer war ihr Gefühl nicht verschwunden. Nach wie vor glaubte sie daran, nicht mehr allein zu sein. Wenn sie an das Messer heran wollte, mußte sie
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