0761 - Der Angst-Atmer
würde, wenn sie wieder zu Hause war. Und auch die Angst davor, dass Billy ihr womöglich gefolgt sein könnte.
Zuzutrauen war ihm durchaus, dass er den Trip nach Schottland allein mit seinem Auto unternommen hatte. Sei es nun, um sie, Laurie, nur im Auge zu behalten - oder um sie wirklich dafür büßen zu lassen, dass sie mit ihm Schluss gemacht hatte!
Laurie fürchtete Letzteres.
Und sie fürchtete, dass es dann nicht bei Schlägen bleiben würde. Sie hatte Angst, dass Billy Westin sie umbrachte. Auch das traute sie ihm zu.
Billy Westin war in ihren Augen ein Monster.
Und mit diesem schrecklichen Gedanken, dieser irrsinnigen Angst dämmerte Laürie Ambrose in unruhigen Schlaf.
Dass sich die Klinke ihrer Zimmertür leise quietschend bewegte, bekam sie schon nicht mehr mit…
***
Zielstrebig streifte er durch die stillen, dunklen Gänge von Cardigan Hall. Hier und da blieb er stehen, lauschte. Und wenn er nichts hörte, wenn die Luft rein war, setzte er seinen Weg fort.
Er wusste, wo er hinwollte. Sein Ziel zog ihn an wie Speck eine Maus.
Der neue Gast, dieser Professor, barg ein Angstpotenzial in sich, das seinesgleichen suchte! Allein der Gedanke daran ließ den nächtlichen Wanderer schier danach fiebern.
Und dabei ahnte der Professor gar nichts von jener Angst, die in ihm steckte. Zu tief lag sie verborgen, als dass er sich ihrer wirklich bewusst gewesen wäre.
Das waren die besten Ängste, die köstlichsten. Jene geheimen Ängste, die tief im Unterbewusstsein wurzelten oder am Grund der menschlichen Seele lauerten.
Er konnte es kaum erwarten, diese Angst auszulösen, sie emporzulocken, sich ihrer zu bedienen - und sich an ihr zu laben.
Es würde ein wahres Festmahl werden!
Plötzlich hielt er inne. Er witterte etwas. Die Angst eines anderen Menschen. Ganz in der Nähe, gleich hinter der nächsten Tür.
Eine Angst, die gerade im Erblühen begriffen war, wie eine Blume, die ihren Kelch öffnet. Und wie den Duft einer Blume nahm er den Duft dieser Angst wahr.
Er konnte nicht widerstehen. Zudem wäre es eine Verschwendung gewesen, achtlos an dieser Quelle vorüberzugehen. Er würde nur ganz wenig nachhelfen müssen, um sie richtig zum Sprudeln zu bringen, und sie dann bis zur Neige auszuschöpfen.
Dieser Zamorra lief ihm schon nicht davon. Und je tiefer er schlief, desto besser…
Er wandte sich der Tür zu, hinter der diese deliziöse Angst duftete, verschaffte sich Einlass und legte seine Maske ab.
Augenblicklich nahm er den Geruch der Furcht um ein Vielfaches stärker wahr, ungefiltert.
Ein Weilchen badete er förmlich darin, aalte sich in diesem für ihn wunderbarsten und existenziellen Duft.
Schließlich erkundete er, worum es ging in dem Traum des schwarzhaarigen Mädchens, das sich unruhig im Bett wälzte.
Daraus erschuf er der Schönen einen Albtraum, wie ihn nur wenige Menschen je erlebt hatten. Und keiner von ihnen hatte einen Traum dieser Güte jemals überlebt…
***
Herbie Fisher wünschte sich fast, er hätte auf Mike gehört. Der, sein Kumpel seit ihrer gemeinsamen Kindergartenzeit, hatte ihm nämlich geraten, im Bett zu bleiben, Laurie Ambrose in Ruhe zu lassen und sich morgen um sie zu kümmern.
Aber Herbie hatte sich von seinem Vorhaben nicht abbringen lassen.
Er hatte das Zimmer verlassen, das er mit Mike teilte, und schlich nun in tiefer Nacht durch Cardigan Hall. Mutterseelenallein, wie er war, wirkte das Spukgemäuer noch sehr viel unheimlicher als im Beisein der ganzen Clique, wo einer den anderen mit lockeren Sprüchen zu übertrumpfen versuchte.
Einerseits schien es mucksmäuschenstill zu sein, andererseits meinte Herbie Fisher, überall leise Geräusche zu hören. Hinter ihm ein Knarren, vor ihm ein Rascheln, irgendwo ein undeutbares Geräusch, als ebenso das Heulen des Windes sein konnte wie ein heiseres Lachen ganz in der Nähe.
Offiziell - seinen Freunden gegenüber also - glaubte Herbie nicht an Geister oder sonstige Spukerscheinungen. Inoffiziell hingegen - jetzt zum Beispiel -sah er das ein bisschen anders…
Cardigan Hall war ein verdammt unheimlicher Ort. Und das Wissen darum, dass es erst heute Abend wieder einen Toten gegeben hatte, förderte Herbies Unbehagen zusätzlich.
Unwillkürlich beschleunigte er seine Schritte ein wenig. Die Flamme der Kerze in seiner Rechten drohte zu verlöschen. Rasch schirmte er sie mit der anderen Hand ab.
Wenn er sich nicht irrte - oder gar verlaufen hatte war es nicht mehr weit bis zu Lauries Zimmer.
Laurie, das
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