0764 - Schrei, wenn dich der Teufel holt
Ganzen war sie zufrieden mit sich. Zwar war ihr verfluchter Bruder schon wieder entkommen. Doch früher oder später würde sie ihn erwischen und vernichten. Da war sich Asha Devi sicher. Außerdem hatten die Götter sie wieder einmal beschützt, indem sie ihr Zamorra und Nicole Duval zur Unterstützung geschickt hatten.
Mit anderen Worten: Asha Devi hatte sich der Liebe der Höheren Mächte wieder einmal als würdig erwiesen. Jedenfalls war das die Art, wie sie die Dinge sah.
Die Polizistin verließ ihr Krankenzimmer. Sie wurde nun nicht mehr eingesperrt.
Asha Devi eilte mit federnden Schritten zum Büro von Dr. Singh. Punkt zehn Uhr öffnete sie die Tür.
»Ah, Miss Devi!« Der Nervenarzt sprang von seinem Schreibtischstuhl auf und bot ihr Platz an. Der Doktor gab sich sehr zuvorkommend. Immerhin war Asha Devis Vater ein bedeutender Mann, mit dem man es sich besser nicht verscherzte…
Asha setzte sich und nahm ihre Mütze ab. Auch ihre strenge Frisur war tadellos.
»Pünktlich auf die Minute!« Dr. Singh grinste und blätterte in seinen Unterlagen. »Es wird Sie freuen zu hören, dass Sie geistig völlig gesund sind, Miss Devi! Eine Verkettung unglücklicher Umstände hatte uns zunächst etwas anderes glauben lassen… und körperlich sind Sie ohnehin topfit! Ihre Schwangerschaft hat ja keine negativen Folgen hinterlassen, und…«
»Was für eine Schwangerschaft?«
Dr. Singh verstummte. Asha Devis Unterbrechung überraschte ihn.
»Nun, die Schwangerschaft, die Sie vor ungefähr zwei Jahren durchgemacht haben. Wie ich sagte, es gibt keine Probleme, aber«
»Die Probleme gibt es höchstens in Ihrem Kopf, Doktor!« Asha Devi tippte sich an die Stirn. »Ich habe ja immer schon gewusst, dass solche Gehirnklempner wie Sie selbst einen Sockenschuss haben! Aber ich kann doch nicht schwanger sein, ohne es zu merken! So verrückt können noch nicht einmal Sie sein!«
Dr. Singh errötete. Allmählich hatte er die Nase voll von dieser anmaßenden und unsympathischen Person. Asha Devi war wirklich die schlimmste Patientin, die er jemals gehabt hatte. Und ob sie nun die Tochter von Ramesh Devi war oder nicht - er musste sich nicht alles bieten lassen!
»Wenn Sie mich und meine Kollegen für verrückt halten, dann gehen Sie doch zu einem Mediziner Ihrer Wahl! Jeder Arzt auf dieser Welt wird Ihnen bestätigen, dass Sie vor zwei Jahren erfolgreich eine Schwangerschaft durchlebt haben. - Wenn Sie nicht wissen, wo Ihr Kind geblieben ist, dann liegt das außerhalb unserer Verantwortung«, fügte er hämisch hinzu.
Asha Devi hätte ihm am liebsten die Schnauze poliert. Aber ihr war klar, dass sie wohl nicht so schnell entlassen werden würde, wenn sie einem Psychiater die Zähne einschlug.
Also ließ sie den Rest des Entlassungsgesprächs über sich ergehen und schaltete die Ohren auf Durchzug.
Endlich verabschiedete Dr. Singh seine Patientin.
Asha ging durch die große, marmorgeflieste Halle der Klinik. Grünpflanzen in Kübeln und abstrakte Gemälde verbreiteten eine Atmosphäre von Wohlstand und Behaglichkeit.
Draußen vor der großen Freitreppe wartete bereits ein Taxi. Dr. Singh hatte es für die Inspektorin rufen lassen.
Asha ließ sich in den Wagen der indischen Automarke Hindustan Ambassador fallen.
»Wo soll’s hingehen, Madam?«, wollte der Fahrer wissen.
»Frag nicht so dumm!«, blaffte Asha. »Fahr erst mal los!«
Der Fahrer drehte den Zündschlüssel und gab Gas. Gedankenverloren starrte Asha Devi ins Leere.
Schwanger sollte sie gewesen sein? Wie hätte sie das nicht bemerken können?
Und dann fiel ihr die Lösung ein. Es war sehr wohl möglich, dass sie in anderen Umständen gewesen war.
Aber wenn das zutraf - wo war dann ihr Kind?
Wer hatte ihr Kind weggenommen?
Wo lebte es jetzt? Lebte es überhaupt noch?
Der Fahrer warf einen besorgten Blick in den Rückspiegel.
»Sie sind ja bleich wie der Tod, Madam! Ist Ihnen übel?«
»Darauf kannst du wetten«, knurrte Asha Devi. Dann brach sie in Trä-
ENDE
[1] Siehe Professor Zamorra Nr. 742 »Mein Bruder, der Dämon«
[2] Siehe Professor Zamorra Nr. 742 »Mein Bruder, der Dämon«
[3] Hindi: Guten Tag, Guten Abend, Hallo
[4] Siehe Professor Zamorra Nr. 742 »Mein Bruder, der Dämon«
[5] Siehe Professor Zamorra Nr. 737 »Asha Devis Höllenfahrt«
[6] Siehe Professor Zamorra Nr. 737 »Asha Devis Höllenfahrt«
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