0765 - Todesangst und Leichenmoder
mußte sie ja schreckliche Angst haben, denn Allie lebte ja mit ihm zusammen. Wenn er der Täter war und seinen Trieb nicht kontrollieren konnte, befand sich Allie dann nicht in Lebensgefahr?
Daran wollte er nicht denken, aber er konnte sich von dem Gedanken auch nicht lösen. Als die alte Schelle ertönte, wurde er wie aus einem bösen Traum gerissen und in die Realität geschleudert.
Da kam jemand!
Der Fotograf konnte sich nicht daran erinnern, eine Einladung ausgesprochen zu haben. Er wußte auch nicht, warum er aufstand und zur Tür ging. Es wäre doch am besten gewesen, den anderen klingeln zu lassen und einfach so tun, als wäre er nicht da.
Trotzdem ging er weiter. Erreichte die Tür, blieb vor ihr stehen und holte zunächst einmal tief Luft.
Dann öffnete er.
Sein Gesicht verwandelte sich in ein erstauntes Etwas. »Sie sind es, Mr. Sinclair…?«
***
»Ja, ich bin es«, erwiderte ich lächelnd und schaute mein Gegenüber dabei prüfend an.
Schon in den ersten Sekunden wußte ich Bescheid. Vor mir stand ein Mensch, der litt oder gelitten hatte. Die Qualen zeichneten sich auf seinem schweißnassen Gesicht ab, und auch sein T-Shirt klebte an bestimmten Stellen auf seinem Körper.
Ich dachte daran, daß ich Sukos Wagen in der Nähe gesehen hatte, also mußte er noch hier sein.
»Ehm… was… was kann ich für Sie tun?«
»Mich hereinbitten.«
Er stutzte, dann lachte er unecht und entschuldigte sich für sein Verhalten. »Manchmal bin ich etwas unaufmerksam. Aber bitte, kommen Sie doch herein.«
»Danke.«
Als er mir den Weg freigegeben hatte, betrat ich dieses ehemalige Fabrikgebäude, in dem Dino Kellerman jetzt arbeitete und wohnte. Die hohe Decke, die helldunklen Wände, die Fotografien, die Bilder in schmalen Rahmen, Titelseiten von Magazinen unter Glas, all das nahm ich wahr, als er mich in einen großen Raum führte, dessen Mittelpunkt von einer roten Couch beherrscht wurde.
»Bitte, nehmen Sie Platz.«
Ich schaute mich um. Ein unaufgeräumter Schreibtisch, einige Rollschränke, ein paar Sitzgelegenheiten, ein hohes Regal und zwei schwarze Standscheinwerfer bildeten das Mobiliar. Auf dem Boden stapelten sich Zeitungen und Magazine. Es war zu sehen, daß hier ein kreativer Mensch seine Heimat gefunden hatte.
Aber auch ein Killer?
Meine Zweifel an Dinos Unschuld waren gewachsen, und das hing auch mit Sukos Verschwinden zusammen. Ich konnte mir einfach nicht erklären, weshalb er mir hatte keine Nachricht zukommen lassen. Doch, erklären schon. Wahrscheinlich war er nicht in der Lage gewesen, aber das würde sich noch herausstellen.
Bevor ich Dino Kellerman auf dieses Thema ansprechen konnte, fing er selbst damit an. »Ich weiß nicht, was los ist, aber ich scheine auf die Polizei wie ein Magnet zu wirken.«
»Wieso?«
»Vor kurzem war noch Ihr Kollege, der Inspektor, hier, und jetzt sind Sie gekommen.«
Mit dieser Erklärung hatte es Kellerman tatsächlich geschafft, mich zu verunsichern. »Moment mal«, sagte ich, »und alles der Reihe nach, bitte. Mein Kollege Suko war hier?«
»Klar, er sprach auch von Ihnen.«
»Und jetzt ist er weg?«
Der Fotograf nickte.
»Wie lange schon?«
»Keine Ahnung, ich habe nicht auf die Uhr gesehen.« Er überlegte und rieb seine Nase. »Zwanzig Minuten vielleicht? Kann auch eine halbe Stunde gewesen sein. Aber wieso fragen Sie? Ist da etwas passiert?«
Ich schaute ihn an. »Nein, nein, im Prinzip nicht. Ich mußte nur gerade an etwas denken.«
»Darf ich es wissen?«
»Sicher, Dino. Sie haben gesagt, daß Sie mein Kollege verlassen hat.«
»Was auch stimmt!« bestätigte er.
»Das glaube ich Ihnen sogar. Ich frage mich nur, wie es dann kommt, daß ich seinen Wagen noch hier in der Nähe habe parken sehen?«
Kellerman schwieg. Er war, wie man so sagt, ziemlich von der Rolle. »Tja, das verstehe ich nicht, aber zu mißtrauisch sollten Sie nicht sein. Hier in der Nähe gibt es einige Lokale, die recht nett sind. Das Wetter ist heiß. Es kann doch sein, daß er einen zur Brust genommen hat. Polizisten sind schließlich auch Menschen.«
»Wem sagen Sie das! Daran glaube ich zwar nicht so recht, aber lassen wir meinen Kollegen mal außen vor und kommen wir zu Ihnen, Dino. Wie geht es Ihnen?«
Mit dieser Frage hatte er nicht gerechnet und fand auch nicht so schnell eine Antwort. Er hob die Schultern, blinzelte mit den- Augen, schluckte einige Male, bevor er zur Seite blickte und dann eine ehrliche Antwort gab. »Nicht besonders, Mr. Sinclair.
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