0766 - Der Herr der Welt
hoch über sich im frostigen Himmel der sibirischen Winternacht den hellen Lichtpunkt von ORANGE 81, jenem Stern, der an diesem fremden Firmament die Rolle des ehemaligen Polarsterns übernommen hatte. Er stand ebenso genau wie dieser am Himmelsnordpol. Walik Kauk selbst hatte ihn getauft und auf dem Marsch von seiner Jagdhütte nach Jensens Camp und weiter nach Nome mit Erfolg als Markierungspunkt benützt.
Sie waren etwa eine halbe Stunde lang durch den Schnee gestapft, als Bluff Pollard, der voranmarschierte, plötzlich haltmachte.
„Hier haben wir es!" sagte er.
Der Lichtkegel seiner Lampe fiel auf ein Paar Schleifspuren, wie sie sie am gestrigen Tag an anderer Stelle gefunden hatten: erzeugt von oval geformten Schneebrettern. Es handelte sich ganz deutlich um zwei parallel verlaufende Spuren, eine für jeden Fuß, also um die Spur eines Menschen.
„Er ist doch allein!" staunte Bluff.
„Sieht so aus", mußte Walik zugeben.
Zu seinem Bild von Chara Shamanovo hätte es viel besser gepaßt, wenn sie auf die Spuren von zwei Leuten gestoßen wären.
„So schnell läßt man sich nicht hinters Licht führen!" protestierte Baldwin Tingmer. „Ich schlage vor, wir gehen unseren Weg weiter!"
Sie stapften weiter durch die schnee- und sternenhelle Nacht.
Weit zu ihrer Linken lag, mehr zu ahnen als zu sehen, die Laborruine. Den Hovercraft konnten sie nicht mehr ausmachen.
Nach weiteren zwanzig Minuten kam, ebenfalls linker Hand, eine kleine Unebenheit in Sicht.
Sie hatten sie gestern bei Tageslicht aus der Nähe gesehen.
Dort lagen ein paar schneebedeckte Felsblöcke, zwischen denen eine Handvoll Krüppelkiefern ein armseliges Dasein fristeten.
Von dem Kreis aus gerechnet, auf dem die drei Männer sich bewegten, lag die Felsgruppe etwa auf halbem Weg zwischen ihnen und der Ruine.
Diesmal schritt Baldwin Tingmer voran. Es war klar, daß er dem Biophysiker noch mehr mißtraute, als Bluff und Walik es taten.
Und binnen kurzem zeigte sich, daß sein Mißtrauen gerechtfertigt war.
„Hier ist eine zweite Spur!" sagte er barsch und schwenkte den Lichtkegel seiner Lampe über ein weiteres Paar Schleifspuren, das von rechts her kam und nach links zu der Felsengruppe hinführte.
Ohne ein weiteres Wort bog er auf die Spur ein und folgte ihr.
Im Schatten der Felsen hatte der Unbekannte angehalten.
„Sieht fast so aus, als ob er hier auf etwas gewartet hätte", erklärte Tingmer, nachdem er die Eindrücke im Schnee eine Zeitlang untersucht hatte.
Sie schritten um die Felsengruppe herum und sahen, daß die Spur auf der anderen Seite weiterführte ... in Richtung der Ruine.
„Der Kerl hat sich verdammt schnell bewegt", schloß Tingmer aus der geringen Tiefe der Eindrücke. „Sozusagen wie ein geölter Blitz!"
Bluff blickte nach rechts.
„Kein Wunder", sagte er. „Er hatte Angst, von uns gesehen zu werden!"
Denn der Hovercraft lag mittlerweile wieder in Sichtweite. Er war nur ein dunkler Fleck auf der hellen Schneefläche, aber man konnte sich durchaus vorstellen, daß jemand, der die Deckung der Felsen verließ, sich fürchtete, von dem Fahrzeug aus beobachtet zu werden.
„Also hatten wir doch recht!" schloß Walik Kauk seine Überlegungen ab.
„Was machen wir nun mit dem Knaben?" fragte Bluff Pollard.
„Hierlassen!" schlug Tingmer bissig vor. „Einfach Gas geben und fortfahren. Der Kerl bringt uns nichts als Unglück."
„Die Kerle", verbesserte Walik. „Ich möchte ihm trotzdem noch eine Chance geben. Wir sind für Sonnenaufgang miteinander verabredet. Ich werde ihm auf den Kopf zusagen, daß wir seine Lügen durchschaut haben. Für ihn hängt alles davon ab, wie er darauf reagiert."
Baldwin Tingmer hielt nicht viel von diesem Vorschlag. Aber Walik setzte sich schließlich durch, zumal Bluff Pollard ihn unterstützte. Sie kehrten zu ihrem Fahrzeug zurück und warteten dort auf den Aufgang der Sonne.
7.
An diesem Morgen war Chara Shamanovo bemerkenswert guten Mutes. Er hatte sein Ziel zwar noch nicht erreicht, aber er war ihm ein gutes Stück nähergekommen. Kauk, Pollard und ihr Begleiter würden nichts mehr ohne seine Zustimmung unternehmen können.
Als die Sonne aufging, begann er, Ausschau zu halten. Falls sie den Roboter mitbrachten, würde er ihnen entgegengehen oder sie bitten, die Verhandlung in derselben Besetzung wie in der vergangenen Nacht zu führen. Im letzteren Falle konnte er vorgeben, eine unüberwindliche Abneigung gegenüber Robotern zu haben.
Zu seiner
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