077 - Der Schrei des Vampirs
deren Enden sich Metallhaken befanden, befestigte ich sie auf dem Gepäckträger. Ob ich das Benzin auch tatsächlich einsetzen würde, wußte ich noch nicht. Es gab verschiedene Möglichkeiten, Vampire zu vernichten. Feuer war eine davon.
Ich schwang mich auf das Motorrad und jagte den Kickstarter nach unten. Die Maschine heulte auf, ich schaltete mit dem Fuß und ließ die Kupplung los. Die Kraft, die im Motor steckte, riß mich zurück. Das Motorrad wollte unter mir durchschießen, doch ich hielt es fest und raste los.
Der Lichtfinger des Scheinwerfers stach in die Dunkelheit. Er riß einen Kegel aus der Schwärze. Ich sah den Beginn des schlechten Wegs, der zur Burg hinaufführte.
Wie ein Motocrossfahrer kam ich mir vor. Die grobstolligen Reifen fraßen sich die Steigung hinauf. Steine flogen hinter mir davon.
Ich blieb nicht lange im Sattel sitzen, sondern stand auf, weil ich merkte, daß ich auf diese Weise das Gleichgewicht besser halten konnte.
Mal beugte ich mich weit vor über die Lenkstange, dann war es wieder notwendig, daß ich mein Körpergewicht blitzschnell nach hinten oder nach links oder rechts verlagerte.
Das Motorrad schien ein gefährliches Eigenleben zu besitzen, und es schien mich unbedingt abwerfen zu wollen, doch ich blieb verbissen oben, balancierte alle Bocksprünge und Schüttelbewegungen aus und zwang dem wild brüllenden Tier aus Aluminium, Blech und Stahl meinen Willen auf.
Es war ein Höllenritt, den ich keuchend mit vollster Konzentration absolvierte. Der kleinste Fehler hätte genügt, und die Maschine hätte über mich triumphiert.
Merkwürdig, daß ich Zeit fand, mich an einen sehr lange zurückliegenden Fall zu erinnern, an meine Anfänge. Es war in Spanien gewesen, an der Costa Brava. Dort hatte ich gegen Paco Benitez, einen gefährlichen Blutgeier, gekämpft. Er hatte im Castell Montgri gewohnt, und ich war auch damals mit einem Motorrad zu ihm hinaufgerast.
Wie sich die Dinge im Leben doch wiederholen.
Der einzige Unterschied zu damals war, daß ich es mit keinem Blutgeier, sondern mit Vampiren zu tun hatte, und daß ich nicht wußte, wie viele Gegner mich am Ende dieser Fahrt erwarteten.
Das Hinterrad tanzte seitlich weg.
Mit sehr viel Mühe fing ich die Maschine ab, nahm etwas Gas weg, drehte dann aber gleich wieder ordentlich auf, und wenig später stieß das Licht des Scheinwerfers gegen die kahlen Mauern der alten Burg.
Ich sprang von der Maschine und bockte sie auf.
Ein kühler Wind wehte hier oben und trocknete mir den Schweiß auf der Stirn. Da der Motor nicht mehr lief, herrschte eine Totenstille vor Blood Castle.
Wir hatten Halbmond. Fahles Licht floß über die Mauern der unheimlichen Burg. Ich suchte nach einer Möglichkeit, hineinzugelangen. Die Benzinkanister ließ ich vorläufig draußen. Ich wollte mich noch nicht damit abschleppen.
Ich hatte vor, erst mal das Terrain zu sondieren. Außerdem war ich ohne die Kanister beweglicher.
Durch das große Tor war es nicht möglich, die Burg zu betreten, aber ich entdeckte eine kleine, unscheinbare Tür, als ich an der hohen Mauer entlanglief, und die stand einladend offen.
Vorsichtig trat ich ein, und wieder beschäftigte mich die Frage, in welcher Verfassung ich Bernard Hale und Chao Kai wiedersehen würde.
Waren sie noch Freunde oder bereits Feinde, die nach meinem Blut gierten?
Ich eilte geduckt durch die Finsternis, sprang von Schatten zu Schatten, um nicht gesehen zu werden.
Eine Tür. Verschlossen. Ich öffnete sie lautlos und huschte in einen düsteren Gang. Meine Spannung wuchs. Ich mußte damit rechnen, daß die Vampire von meiner Anwesenheit Kenntnis hatten, und es war wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis sie über mich herfallen würden.
***
Jimmy Dillaway wollte nicht glauben, daß die grüne Fledermaus seinem Bruder etwas angetan hatte, aber es sah ganz danach aus. Der Junge gab jedoch nicht Gnubbel allein die Schuld. Er sagte sich, daß die Fledermaus nichts gegen Ray unternommen hätte, wenn dieser sie nicht zu erschlagen versucht hätte. Das hatte sich Gnubbel gemerkt, und er hatte sich - so schien es - gerächt.
Aber war Ray wirklich tot?
Jimmy wollte allein sein. Es gab so vieles, worüber er nachdenken mußte, und das konnte er nicht in Gegenwart der Eltern, von Celia und Mr. Silver.
Er verließ den Raum mit hängendem Kopf.
Alles in ihm wehrte sich dagegen, daß auch er Schuld an Rays Tod trug. Vater hatte schon recht, wenn er nicht glauben wollte, daß Ray nicht mehr
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