0775 - Die Herren von Sh'donth
dann grinsten sie mich überlegen an. Offenbar hatte ich einen guten Witz gemacht, ohne es zu wissen.
„Ich habe einen Vorschlag zu machen", murmelte ich. Ich spürte deutlich, daß ich nicht mehr lange würde klar denken können.
„Bis ihr meine Antworten auf eure Fragen zu einem Bild zusammengesetzt habt, wird eine mittlere Ewigkeit vergehen."
„Kennt dein Volk kleine, große und mittlere Ewigkeiten?"
Sie achteten auf jedes meiner Worte, und auch die für Menschen typischen Übertreibungen, Anspielungen und Wortspiele nahmen sie buchstäblich. Ich schüttelte den Kopf. Mir fehlten Lust und Konzentration, um ihnen einen Vortrag über Unendlichkeitsmathematik zu halten, abgesehen davon, daß ich davon nicht sonderlich viel verstand.
Vermutlich hätte ich mit meiner bleischweren Zunge den abenteuerlichsten Unsinn produziert, hätte ich zu erklären versucht, daß manche Unendlichkeiten noch unendlicher waren als andere.
„Ich werde euch die Geschichte meines Volkes erzählen. Auf diese Weise bekommt ihr ein einheitliches Bild."
Wenn ich bei klarem Verstand gewesen wäre, hätte ich ihnen die ein-, schlägigen Kapitel aus dem Handbuch für Raumfahrer herunterbeten können. Dazu war ich nicht in der Lage, ich mußte mir meinen Vortrag selbst ausdenken.
Ich sprach langsam und eindringlich, und die Feyerdaler stellten immer wieder Zwischenfragen.
Trotz meiner Benommenheit erkannte ich allmählich, daß sie mit diesen Zwischenfragen eine ganz bestimmte Taktik verfolgten. Sie wußten genau, daß sich die Wirklichkeit aus unzähligen Informationen zusammensetzt, aus mehr Details, als selbst der beste Lügner des Universums erfinden konnte.
Folgerichtig fragten die Feyerdaler nie nach wesentlichen Dingen, sondern nur nach unbedeutenden Kleinigkeiten. Meinen Bericht über das Hetos der Sieben schluckten sie kommentarlos.
Aber völlig überraschend wollten sie von mir wissen, wie mein Schädel vor meinem Leben unter den Posbis ausgesehen hatte.
Danach zwangen sie mich innerhalb von fünf Minuten zu einer abenteuerlichen Kette von Assoziationen, die vom Stichwort Haar über die Stationen Friseur, Figaro, Mozart, Beethoven, Beatles, Atlan (wegen der Frisur) bis zur SZ-1 und der SOL führten.
Solche Gedankenketten ließen sich nur dann knüpfen, wenn der Sprecher mit kulturspezifischen Informationen förmlich gesättigt war. Lügengeschichten, das wurde mir während des endlos lang erscheinenden Verhörs klar, sind ausnahmslos logisch aufgebaut. Der Lügner weiß, daß seine Geschichte erfunden ist, vor allem weiß er auch, wo in dem Netz falscher Informationen Lücken klaffen.
In seiner Angst, sich zu verraten, ist er gezwungen, diese Lücken zu schließen und zwar logisch einwandfrei, genau damit aber verrät er sich letztlich.
Langsam legte sich meine Befangenheit. Die Zwischenfragen der Feyerdaler beantwortete ich schnell und unvollständig, etwas anderes blieb mir auch nicht übrig. Als Hommersolth unvermittelt nach der terranischen Technik der Arterhaltung fragte, haspelte ich schnell einige Grundsatzinformationen herunter und fügte dann einige nicht eben stubenreine Witze an, die angeblich aus dem reichhaltigen Fundus von Reginald Bull stammten.
Als Draufgabe zitierte ich noch einige boshafte Aphorismen zum Thema Liebe und Ehe.
Die Feyerdaler hörten sich meinen Vortrag aufmerksam an. Sie lachten nicht, sie zweifelten nicht. Was immer ich sagte, wurde registriert und zur Kenntnis genommen, mehr geschah nicht.
Vorsichtshalber verzichtete ich darauf, den Feyerdalern eine weitschweifige Erklärung der Vorgänge zu geben, die sich in den letzten Tagen abgespielt hatten. Wenn sie mir glaubten, war klar zu sehen, daß es sich bei den Zwischenfällen um Miß-Verständnisse handelte, die bei einem Zusammentreffen zweier verschiedener Völker fast unvermeidlich waren. Zweifelten die Feyerdaler an meiner Geschichte, hätte auch der ausgiebigste Erklärungsversuch nichts gefruchtet.
„Und nun sind wir hier", schloß ich meinen Bericht. „Werden weitere Informationen gewünscht?"
Kordahl verzog sein Gesicht zu einem Lächeln.
„Einstweilen nicht", sagte er. Wenn der Translator einwandfrei übejsetzt hatte, klangen seine Worte überraschend freundlich.
Ich atmete erleichtert auf und ließ mich in meinem Sessel zurücksinken.
Ich wußte nicht, wieviel Zeit seit dem Beginn des Verhörs verstrichen war, aber ich konnte deutlich spüren, wie sehr ich mich hatte konzentrieren müssen. Im gleichen Maß, in dem
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