0775 - Lady Luzifer
nicht einschlafen und kannte den Grund nicht. Zudem kam sie mit sich selbst nicht zurecht, es wollte ihr nicht in den Kopf, daß sie einer fremden Person angeboten hatte, bei ihr zu bleiben. Einem Menschen, der ihr gerade mal über den Weg gelaufen war. Es war sonst nicht ihre Art, so etwas zu tun, und sie konnte es sich eigentlich nur damit erklären, daß sie durch den Unfall ein schlechtes Gewissen und ein gewisses Schuldgefühl gekriegt hatte. Irgendwo hatte sie sich auch ein wenig überrumpelt gefühlt. Doch ein Mißtrauen Deborah Taft gegenüber war in ihr nicht aufgekeimt, selbst nicht, als sie noch ziemlich lange am Abend nach dem Essen - Jane hatte schnell zwei Omeletts zubereitet - zusammengesessen hatten. Diese Frau war reingelegt worden, Jane konnte sich gut in ihre Lage versetzen, auch ihr war es einmal schlecht ergangen, wenn auch anders, und sie fühlte sich für Deborah verantwortlich.
Dieser Tag war ziemlich turbulent gewesen, und es hätten ihr eigentlich die Augen zufallen müssen, was nicht der Fall war. Sie lag auf dem Rücken und starrte gegen die Decke. Sie spannte sich wie ein blasser Himmel über ihr.
Auch Deborah Taft lag im Bett. Jane hatte ihr schnell das Gästezimmer hergerichtet und zuvor noch einmal nach ihren Verletzungen geschaut, die sich nicht verschlimmert hatten, und auch Schmerzen hatte Deborah nicht mehr gespürt. Die Schwellung war sogar etwas zurückgegangen, und Deborah hatte davon gesprochen, keinen Arzt zu konsultieren.
Wie es mit dieser Frau weitergehen sollte, wußte Jane auch nicht. Sie wollte allerdings etwas für sie tun. Da wäre John Sinclair möglicherweise der richtige Mann gewesen, denn er verfügte über die nötigen Beziehungen. Er konnte möglicherweise eine Fahndung nach dem verschwundenen Geldgeber einleiten.
Es war alles so wunderbar normal und doch auf irgendeine Art und Weise beklemmend. Da hatte sich ein Schatten hervorkristallisiert, der über allem lag, der auch Jane traf und sie in eine gewisse Unruhe versetzte. Konnte sie deshalb nicht einschlafen? War es das innere Uhrwerk, das nicht mehr richtig lief? Oder das Wissen, eine Fremde im Haus zu beherbergen, obwohl Deborah so fremd nicht war, denn beide Frauen hatten sich gut verstanden.
Komisch und seltsam…
Ein Schauer rann mehr als einmal über ihren Rücken. Jane fühlte sich unwohl. Es war nicht zu warm, dennoch schwitzte sie und warf irgendwann die Bettdecke zurück.
Ihr Blick fiel auf das Zifferblatt des Weckers. Mitternacht war gerade vorbei. Der neue Tag hatte zum erstenmal tief Atem geholt, was Janes Zustand auch nicht veränderte. Im Kopf breitete sich der Druck aus, die Kehle war trocken, sie schmeckte den genossenen Rotwein noch und begab sich in ihre kleine Küche, um ein Glas Wasser zu trinken. Da sie kein Licht gemacht hatte, konnte sie durch das Viereck des Fensters nach draußen schauen, wo die Dunkelheit in einem Hinterhof die hohen Bäume zu unheimlichen und schweigenden Figuren gemacht hatte, die ihre kahlen Arme dem Fenster entgegenstreckten, als wollten sie gegen das Glas und die Hauswand kratzen.
Jane hatte dieses Bild schon oft gesehen. Sie kannte es in den verschiedenen Jahreszeiten, nur kam es ihr heute so beklemmend vor, als wären die Bäume ihre Feinde.
Nachdem sie das Glas geleert und weggestellt hatte, öffnete sie das Fenster.
Ein Schwall kühler Luft wurde in das Innere getragen. Er blies gegen ihr Gesicht, die Luft roch zudem feucht und herbstlich, die Blätter hingen noch an den Zweigen, aber sie waren schon von der herbstlichen Fäulnis durchdrungen und hatten ihre Farbe längst verändert. Der nächtliche Wind streifte gegen sie und ließ sie zittern. In der Luft lag eine schwere Feuchtigkeit. Vom Hof her drang sie gegen Janes Gesicht, doch sie hatte sich noch nicht zu Nebelwolken verdichtet. Das würde in den späteren Morgenstunden geschehen.
Jane schloß das Fenster wieder. Ihr Nachthemd war einfach zu dünn, um sie die Kälte länger ertragen zu lassen. Es war eine normale Nacht, und trotzdem spürte sie die Unruhe.
Im Zimmer blieb sie stehen. Die Küche lang hinter ihr. Es war still. Sie hörte nur ihren eigenen Atem. Der Geschmack im Mund hatte sich verbessert. Die Möbelstücke rückten dort zu Schatten zusammen. Noch immer bildete die Decke einen grauen Himmel.
Jane schaute auf die Tür.
Sie führte in den Flur und gleichzeitig auch in das Treppenhaus des alten Hauses. Tat sich dort etwas? War es der Quell ihrer innerlichen Unruhe?
Sie wußte
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