Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0776 - Racheengel Lisa

0776 - Racheengel Lisa

Titel: 0776 - Racheengel Lisa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
Kehle, die Lisa wenig später als gelbweißen Schleim ausspuckte.
    Nur allmählich ging es ihr besser. Als sie sich wieder hingestellt hatte, durchlief sie ein Schauder der Kälte, als hätte man vor ihr die Tür einer Eistruhe aufgezogen.
    Sie zog den Kopf ein, sie schloss die Augen, sie wartete ab, und die heiße Angst brannte wie Feuer in ihrem Innern. Sie hatte geweint, ohne es zu merken, sie schwitzte auch, aber die Kälte war stärker, und Lisa stellte sich die Frage, ob es die normale Kälte war, die da durch ihre Knochen jagte.
    Sie ging weiter.
    Einfach weg.
    Irgendwohin…
    Ihre Füße schleiften über den Boden. Sie hörte das Rascheln des Laubs. Die knirschenden Tritte hinterließen Echos in ihren Ohren, und sie hatte noch immer nicht die Orientierung zurückgefunden.
    Sie spürte den Druck des Pfahls an ihrer Bauchdecke. Sie streichelte die Waffe. Bald, sehr bald würde sie wieder zum Einsatz kommen, wenn sie das Böse vernichten musste.
    Auf einer Bank sank Lisa zusammen, breitete die Arme auf der Rückenlehne aus und drückte den Kopf zurück.
    Sie rief nach ihrer Mutter.
    Es war ein klagender Schrei, der aus dem offenen Mund drang und über ihr verwehte.
    Immer wieder dieser Ruf.
    »Mum… Mummy …«
    Dabei weinte sie, denn sie fühlte sich so unwahrscheinlich verloren, so hilflos, es war keiner da, der sie unterstützte. Es dauerte eine Weile, bis dieser kaum noch erträgliche Zustand sie wieder verließ und Lisa sich in der Realität zurechtfand.
    Sie schaute nach vorn.
    Erst einmal, dann kniff sie die Augen zusammen und schaute wieder hin. Sie wusste nicht mehr zu sagen, wie sie es geschafft hatte, diesen Ort zu erreichen, aber vor sich sah sie das Feld der Gräber.
    Alte und noch frischere bildeten hier eine Harmonie, denn man hatte diesen Friedhof nicht in zwei Hälften aufgeteilt, wie es üblich war.
    Alte Grabsteine starrten sie an wie graue Gesichter. Sie nahm den feuchten Geruch wahr. Efeu umrankte viele Gräber. Angewelktes Laub bedeckte die letzten Ruhestätten und verteilte sich auch auf den Wegen.
    Über dem Friedhof lag ein leichter Dunst, noch kein direkter Nebel, sondern mehr als blasse, dünne Tücher zu verstehen, die aussahen, als hätten sie die zahlreichen Gräber verlassen, um sich noch an ihnen festzuklammern.
    Irgendwo flatterten Vögel. Sie krächzten mit ihren heiseren Stimmen, als wollten sie eine Warnung ausstoßen.
    Schwer wie Blei lag der Dunst auf dem Gräberfeld. Lisa konnte auch einen Querweg erkennen, der durch die Grabreihen führte, und genau dort sah sie eine Gestalt.
    Krumm und mit langsamen Schritten schlurfte die alte Frau über den Weg. Sie schaute weder rechts noch links, trug einen kleinen Eimer an ihrer rechten Hand und sah aus wie ein durch den Nebel wanderndes Gespenst, das sich für nichts anderes interessierte als nur für den Weg. Die Frau sah Lisa nicht. Erst als sie völlig aus ihrem Blickfeld verschwunden war, stand die junge Frau auf.
    Die Depression war verschwunden. Plötzlich wusste sie wieder Bescheid, denn die Erinnerung war zurückgekehrt. Das Schicksal, die Fügung der Engel hatte sie in die Nähe des Grabs ihrer Mutter geführt. Ihr war jetzt klar, wie sie zu gehen hatte, und sie schob sich schon sehr bald durch die Lücken zwischen den alten Gräbern, wo die Steine als stumme Zeugen standen. Hartes Gestrüpp kratzte über ihren Mantel. Manchmal fuhr auch der leichte Wind durch ihr langes Haar und wirbelte einige Strähnen hoch.
    Lisas Gesicht wirkte wie aus Stein gemeißelt. Die Lippen – nicht mehr als zwei blasse Striche – lagen zusammen, die Augen zeigten keinen Glanz mehr, sie waren leer und trotzdem von einer ungewöhnlichen und wilden Freude erfüllt.
    Schatten des Wahnsinns…
    Sie ging zielstrebig nach rechts, erreichte über einen schmalen Weg den Teil des Friedhofs, wo die etwas neueren Gräber lagen.
    Auch hier war vieles überwuchert und zugewachsen. Manche Grabsteine konnte sie überhaupt nicht mehr erkennen, weil die Zweige eines dornigen Gestrüpps sie umfingen.
    Ihre Schritte hinterließen raschelnde und knirschende Geräusche.
    Der lange Mantel war an bestimmten Stellen angeschmutzt, was sie nicht weiter störte, denn sie hatte inzwischen die Reihe erreicht, wo sie auch das Grab der Mutter finden konnte.
    Es war nicht groß, es war nicht außergewöhnlich, obwohl ihre Mutter es verdient hätte. Wäre es nach ihr gegangen, hätte sie es wunderbar geschmückt und der Toten jeden zweiten Tag einen neuen Blumenschmuck

Weitere Kostenlose Bücher