0776 - Racheengel Lisa
bitte, tun Sie mir einen Gefallen!«
»Und welchen?«
»Lassen Sie mich gehen.«
Suko machte große Augen, während ich den Kopf schüttelte. »Sie wollen zu Ihrer…?«
»Ja, Inspektor, ja. Ich möchte mit ihr reden. Ich weiß ja, was mit ihr geschieht, dass man sie nach der Verhaftung festsetzen wird. Das alles kommt auf sie zu. Sie wird wieder in der Zelle schmoren und von dort keinen Kontakt mehr mit mir aufnehmen. Ich kenne das, und deshalb möchte ich die letzte Chance ergreifen.«
»Sie haben keine Furcht?«, fragte ich.
»Nein!« Er hob die Schultern. »Wovor sollte ich denn Furcht haben?«
»Davor, dass Ihre Tochter sie angreifen und eventuell umbringen könnte.«
Darius senkte den Kopf. »Ja, ich habe Angst, das gestehe ich. Aber ich hoffe auch, dass Lisa vernünftig ist.«
»Wenn Sie sich da nur nicht irren.«
»Hören Sie, Inspektor. Meine Tochter steht am Grab ihrer Mutter. Und Helen hat zu Lisa ein wunderbares und einmaliges Verhältnis gehabt. Wenn ich sie auf die Mutter anspreche, wird sie mich kaum angreifen und töten wollen.«
»Es ist ein Risiko«, sagte ich.
»Das stimmt.«
Wir gaben unsere Einwilligung, wenn auch mit schlechtem Gewissen. Wir hätten sie eigentlich einkreisen müssen, um ihr zu zeigen, wie gering ihre Chance war. Eine normale Polizeiaktion, durchgeführt von zwei verschiedenen Seiten.
Diesmal war die Situation eine andere. Es gab keine weiteren Menschen, die Gefahr liefen, von Lisa angegriffen zu werden. Und er war ihr Vater.
Er war blass geworden. Trotz seines mutigen Plans fühlte er sich nicht besonders wohl. »Also, dann gehe ich jetzt.«
»Ja, viel Glück.«
»Und wir werden in Ihrer Nähe bleiben«, sagte Suko.
»Allerdings werden Sie uns kaum sehen«, fuhr ich fort und zeigte ein Lächeln.
»Das ist gut.« Er schüttelte den Kopf. »Ich glaube schon, dass ich mit Lisa reden kann. Ich bin ihr Vater, sie wird das auch denken, schätze ich. Die Sache mit meinem Bruder Hank war eine andere. Sie will ja das Böse ausmerzen, und ich fühle mich dazu einfach nicht zugehörig, wenn Sie verstehen.«
»Natürlich.«
Dann ging er.
Wir aber schauten ihm sorgenvoll nach. Und wie auf einen geheimen Befehl hin zogen wir unsere Waffen. Auf Schussweite wollten wir schon an die beiden herankommen.
Wenig später waren auch wir verschwunden. Zurück blieb die Totenstille des Friedhofs…
***
»Dad?« Erstaunen, Schrecken und auch Ärger schwangen in der Stimme mit.
»Ja, ich.« Darius nickte. Er wunderte sich nicht darüber, wie krächzend seine Stimme klang. Er schwitzte, er fühlte sich unsicher, was ihn ärgerte. Er schaute seine Tochter an und fragte sich, ob so eine Mörderin aussah. Sie war ein blasses Geschöpf, eingehüllt in einen Mantel, der zu groß für sie wirkte. Sie sah so anders aus, so schmal und gleichzeitig hilfsbedürftig. Alfred konnte sich nicht vorstellen, dass eine Frau wie sie mehrere Menschen auf dem Gewissen hatte.
Am liebsten hätte er sie in die Arme geschlossen und mit nach Hause genommen, aber das tat er nicht.
»Was willst du?«
Ihre Stimme irritierte ihn. Sie passte nicht zu der zarten Gestalt. Sie klang einfach zu hart und auch irgendwie endgültig. Sie war scharf, sie lehnte ab.
»Dich holen, Lisa.« Er streckte ihr zögernd die rechte Hand entgegen. »Ja, ich möchte dich holen.«
Lisas Lippen verzogen sich, als hätte sie Essig getrunken. »Mich willst du holen, Dad?«
»Sicher.«
»Wohin?«
»Zu mir.«
Ihr Lachen klang schrill und kam auch so plötzlich, dass er zusammenzuckte. »Ich soll zu dir kommen? In dein Haus vielleicht? In mein Elternhaus, das so leer ist?« Sie schüttelte wütend den Kopf.
»Warum lügst du denn, verdammt?«
»Ich habe nicht von dem Elternhaus gesprochen, Lisa.«
»Aha…«
»Du weißt, was du getan hast. Aber ich möchte dich nicht allein lassen, wenn du verstehst. Du sollst wissen, dass du noch einen Vater hast, der zu dir hält. Egal, was auch geschieht. Du bist meine Tochter. Ich kann dich nicht im Stich lassen, das musst du verstehen, Kind. Wirst du es begreifen?«
»Ja, du bist mein Dad.«
»Gut, dass…«
»Hör auf!«, zischte sie ihn an und trat wütend mit dem rechten Fuß auf. »Ich habe auch noch eine Mutter, und ich sehe nicht ein, dass ich sie im Stich lasse.«
»Sie ist tot.«
»Ja.«
»Du kannst nicht…«
Lisa ließ ihren Vater nicht ausreden. »Für mich ist sie nicht tot, Dad. Ich habe Kontakt mit ihr. Sie war vorhin bei mir, verstehst du? Ich habe sie genau
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