0777 - Phantom aus der Vergangenheit
schwach er war.
Das Pferd war weitergelaufen. Es schien die Gefahr gespürt zu haben, und in der Ferne verklang sein Wiehern zwischen den Bäumen.
Cyrus Wood kletterte nach unten. Wieder spürte er ein Zittern. Ein kalter Schauer rann über seinen Rücken. Die Augen brannten. Das Ziehen in seinen Knochen und Muskeln wurde unerträglich, und als er aus einer bestimmten Höhe zu Boden sprang, da knickten seine Beine weg, und er fiel bäuchlings zu Boden.
Dort blieb er liegen.
Nicht mal weit entfernt von der anderen, reglosen Gestalt. Er sah in ihr Gesicht. Es wirkte blass und gleichzeitig bleich. Letzte Staubwolken umschwebten es, die wie feiner Staub durch die Strahlen der Sonne zogen.
Wood schaute in die andere Richtung, nach links, von wo die Reiterin gekommen war.
Dort bewegte sich nichts. Wie immer war sie allein gekommen, und wie immer würde es kaum auffallen, wenn sie erst spät zurückkam. Immer wenn die Dunkelheit das Land überschattete, machte sie sich auf den Rückweg. Dann aber langsamer, sie ließ das Pferd nur gemächlich gehen, weil es sich ausruhen musste.
Bleib liegen! Die innere Stimme wühlte ihn auf. Bleib einfach hier liegen…
Er kämpfte dagegen an. Wieder kam die Schwäche wie eine Woge über ihn. Er konnte jetzt nicht aufgeben, so dicht vor dem Ziel, aber so schwach war er zuvor nie gewesen.
Und so kroch er vor. Cyrus Wood war nicht in der Lage, sich auf den eigenen Beinen zu bewegen. Zentimeter für Zentimeter bewegte er sich nur voran. Den Kopf hielt er gesenkt, sein Gesicht, auch die Lippen schleiften über den Boden. Zwischen seine Zähne geriet das welke Laub, an dem noch der Schmutz klebte. Auch an seiner Kleidung blieben die feuchten Blätter hängen. Er keuchte, wenn ihn das blasse Sonnenlicht traf, er streckte die Arme aus, um sich an dem liegenden Körper seines Opfers festzuklammern. Er musste nahe an sie heran, sehr nahe.
Sie war nicht tot. Wood hörte ihr Atmen, das von einem leichten Stöhnen durchdrungen wurde. Margret Fontyn war eine schöne junge Frau. Ihr Haar war so dicht und wunderbar, dass es schon wie künstlich wirkte. Die weiße Haut des Halses, des Gesichts, es machte ihn an, und es gab ihm wieder einen geringen Kraftschub, den er benötigte, um den Rest des Wegs zurückzulegen.
Wood schaffte es.
Er griff zu!
Mit beiden Händen umklammerte er die Schultern der Frau und zog sich so schräg über sie, dass sein Gesicht mit dem ihren in einer Höhe lag. Aus sehr kurzer Distanz konnten sie sich dabei in die Augen schauen.
Margret Fontyn war bewusstlos gewesen, jedoch nicht lange, außerdem mehr durch den Schock als durch den Aufprall. Jetzt hielt sie ihre Augen wieder offen.
Sie sah ihn.
Er sah sie.
Und Cyrus Wood grinste. Es war ein widerliches, hinterhältiges und gleichzeitig wissendes Grinsen, und es erwischte die Frau wie ein Schlag. Sie wusste mit einem Mal, dass sie einem Irren in die Hände gefallen war, zumindest einem Menschen, der in ihrem Zustand mit ihr machen konnte, was er wollte.
Noch immer schwebte das Gesicht über dem ihren. Es war alt, furchtbar alt, das eines Greises, und es stand im krassen Gegensatz zu ihrer eigenen Schönheit. Zahlreiche Falten durchzogen es. Die Augen lagen tief in den Höhlen, ebenfalls alte Augen, allerdings mit einem Blick, der sie frösteln ließ. So schaute jemand, dem der Tod nicht fremd war, der ihn auch auf die Reise schickte, und sie war das Opfer.
Margret zitterte innerlich. Sie fror, was nicht an der äußerlichen Kälte lag. Aus dem Mund drangen flüsternde Laute, untermalt von krächzenden Geräuschen. Sie öffnete den Mund, denn sie fühlte sich jetzt in der Lage zu schreien.
Genau darauf hatte der andere gewartet.
Kaum standen die Lippen offen, als er seinen Kopf mit einer gedankenschnellen Bewegung nach unten rammte und den Mund voll erwischte. Nicht nur eine flüchtige Berührung, er saugte sich hart daran fest und hörte in der Kehle ein dumpf klingendes Geräusch, möglicherweise eine Art von Widerstand.
Wood ließ nicht locker. Er saugte sich an den Lippen der Frau fest, und produzierte dabei ein wohliges Stöhnen. Er spürte, wie ein gewisser Damm brach. Jetzt war er glücklich, denn er hatte den bestimmten Punkt überschritten.
Cyrus Wood saugte weiter. Er sah so aus, als wollte er die Frau leer trinken, aber er schlürfte nicht ihr Blut, das hätte ihm nicht geschmeckt. Der Mann wollte etwas anderes. Und er war glücklich, als der Widerstand der Frau erlahmte. Er spürte, wie die Kraft
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