0777 - Phantom aus der Vergangenheit
immer stärker in ihn hineinfloss.
Keine Kraft, sondern Leben.
Ihr Leben!
Das jetzt ihm gehörte!
Wood konnte es kaum fassen. Ein irres Glücksgefühl durchströmte ihn. Er hatte es geschafft, im letzten Augenblick war es ihm wieder einmal gelungen, das Leben zu verlängern.
Wie schon so oft in der langen, langen Vergangenheit.
Es war genug, zumindest für den Anfang, und er löste seinen Mund von ihren Lippen, wobei ein satter schmatzender Laut entstand. Plötzlich fühlte er sich gut, wenn auch nicht top, aber es war kein Vergleich zu dem Feeling, das ihn noch vor Minuten durchtost hatte.
Er war noch nicht von der endgültigen Kraft erfüllt, das würde noch kommen, er brauchte nur eine kleine Pause, um über all die herrlichen Dinge nachzudenken.
Die Frau lebte noch. Er hörte plötzlich ihr heftiges Atmen, er sah ihr Gesicht – und es traf ihn nicht einmal der Schreck, als er es sah.
Es sah alt aus. Sehr alt sogar…
In den letzten Sekunden war die junge Frau um mehr als dreißig Jahre gealtert. Grau und faltig die Haut. Trübe der Blick ihrer Augen, lappig und zitternd die Lippen. Die Haut an ihrem Hals zuckte.
Sie holte röchelnd Luft, wobei ihre Zunge vorschnellte und wieder zurückzuckte.
Er blieb hocken, damit auch sie ihn sehen konnte. Margret Fontyns Blick klärte sich allmählich, sodass sie den Mann neben und über sich allmählich deutlicher erkennen konnte.
Ein tiefer Schreck durchzuckte sie. Das war nicht mehr er, das war ein anderer.
Sie schüttelte sich, sie war erfüllt von einer unheimlichen und abartigen Furcht, denn sie schaute in das Gesicht eines viel jüngeren Mannes, auch wenn es kein Jüngling war.
Sie war gealtert, er hatte sich verjüngt!
Ein nicht erklärbarer Wahnsinn, eine Halluzination, doch als sie sein wissendes Grinsen sah, da wusste sie Bescheid, dass dieser Zustand tatsächlich eingetreten war.
Es kostete sie eine immense Kraft, die Arme anzuheben und nach ihrem Gesicht zu fühlen. Sie fürchtete sich davor, die Fingerkuppen über die Haut gleiten zu lassen. Für einen Moment hatte sie noch die Hoffnung, dass es nicht stimmte, dann hatte sie Kontakt. Nur mit Mühe konnte sie den Schrei unterdrücken.
Das war ihre Haut, doch gleichzeitig war es eine andere. So alt, so weich, so klumpig. Margret musste die Augen schließen. Das Gefühl der Furcht wurde abgelöst von dem einer völligen Mattheit. Sie kam mit sich selbst überhaupt nicht mehr zurecht. Als sie das böse Gelächter über sich hörte, öffnete die Frau die Augen, schaute in die Höhe – und sah ihr Gesicht in dem kleinen Taschenspiegel, den ihr der verjüngte Mann entgegenhielt.
Es war unbeschreiblich.
Sie jammerte plötzlich, sie wollte nicht mehr hinsehen, drehte den Kopf zur Seite. Das grunzende Gelächter nahm sie nicht wahr, zu sehr war sie in ihre eigenen Gedanken verwickelt, bis sie dann wieder die Lippen auf ihrem Mund spürte.
Nun war es umgekehrt. Die anderen Lippen hatten sich gestrafft, als würde ein besonderes Blut sie durchströmen. Sie waren weich und warm, ihre nicht.
Und er drückte seinen Mund noch härter gegen den ihren. Margret Fontyn erlebte die folgenden Sekunden sehr bewusst mit, als hätte ihr das Unterbewusstsein den Befehl gegeben, die letzte Zeit des Lebens noch einmal intensiv zu durchleben.
Es passierte auch. Sie bekam alles mit – leider. Der Schreck nagelte sie auf den harten Boden, und trotzdem hatte sie das Gefühl, abzuheben und wegzuschwimmen.
Das war nicht mehr ihre Welt, in der sie sich befand. Eine andere rollte lautlos auf sie zu. Eine endgültige und auch so gefährliche und dunkle Welt.
Die des Todes…
Sie schnappte zu.
Noch einmal bäumte sich Margret auf, ihr Blick klärte sich, sie sah wieder besser, und das abermals verjüngte Gesicht war das letzte Bild, das sie mit in das endgültige Reich der Schatten nahm. Sie starb, ohne einen letzten Seufzer abzugeben.
Cyrus Wood zuckte genau in dem Augenblick zurück. Er spürte, dass er keine lebende Person mehr vor sich hatte. Die Frau war gestorben und für ihn somit unwichtig geworden.
Er drückte den Rücken durch.
Diesmal fühlte er sich super, einfach wunderbar. Seine Haut war straff, sogar leicht gebräunt, wie er bei einem Blick in den Spiegel feststellen konnte.
Dabei kicherte er, weil er daran dachte, dass Vampire kein Spiegelbild haben. Gut, er war ein Vampir, aber ein besonderer. Er brauchte sich nicht vom Blut der Menschen zu ernähren, er nahm ihnen etwas anderes, das ebenso schlimm
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