078 - Im Netz der Lüge
auf die Barbaren.
Laramy seufzte leise. »Und wann soll diese Gelegenheit kommen? Mit jedem Tag, den wir warten, steigt unser Risiko, vor allem, wenn Stuart sich auch noch -«
»Ich kümmere mich darum« , unterbrach ihn Majela schärfer, als sie beabsichtigt hatte. »Er wird uns nicht gefährden.«
Endlich klickte etwas im Schloss der Kiste. Sie lehnte sich zurück und öffnete den Deckel. Dunkle Metallzylinder waren darin gestapelt, zehn Reihen hoch, dreißig lang. Neben ihr zog Pieroo die Äste hervor, die er zurecht geschnitten hatte, während Laramy bereits damit begann, die Munition aus der Kiste zu holen. Majela wusste, dass Crow die Kisten nur oberflächlich inspizierte.
Zwei fehlende Lagen der Driller-Explosivgeschosse fielen nicht auf, solange man den Boden entsprechend hoch mit Holz aufstockte. Zumindest sagte das Laramy, der Crow auf einigen Inspektionen begleitet hatte.
Majela hoffte, dass er Recht hatte.
***
Es erstaunte Matt immer wieder, wie schnell man sich auch an die unangenehmsten Dinge gewöhnte. Nach dem ersten Tag, den sie fast vollständig auf dem Rücken der Yakks zugebracht hatten, war jeder in der kleinen Gruppe auf dem Bauch liegend eingeschlafen - sogar Aiko, der trotz seiner Implantate und künstlichen Arme nicht gegen alle körperlichen Beschwerden immun war.
Am zweiten und dritten Tag hätte Matt die Yakks am liebsten erschossen, um nie wieder auf einem sitzen zu müssen, aber jetzt, nach Wochen im Sattel waren die gutmütig vor sich hin trottenden Tiere beinahe so bequem wie ein gut gepolsterter Sessel. Sogar den beißenden Gestank, der ihm anfangs den Atem verschlagen hatte, empfand er jetzt nicht mehr als unangenehm, nur als ein wenig aufdringlich, so wie das übertrieben aufgetragene Rasierwasser eines Taxifahrers.
Wenn nur diese widerlichen Fleggen nicht wären , dachte Matt. Die grünlich schillernden, kinderfaustgroßen Tiere hingen in Trauben über seinem Kopf und stürzten sich mit dem Wagemut von Jagdfliegern auf Parasiten im Fell der Yakks. Dabei kollidierten sie häufig mit einem der menschlichen Reiter, was schmerzhaft und nicht ganz ungefährlich war, wie Mr. Black belegen konnte. Ihm war eine der Fleggen ins Auge geraten und hatte es beinahe ausgeschlagen.
Noch jetzt, mehr als eine Woche später, war es blutunterlaufen.
Sie ritten hintereinander über den schmalen Trampelpfad. Die Bäume waren hoch, standen jedoch so weit auseinander, dass man tief in den Wald hinein und teilweise bis zum Seeufer blicken konnte. Matt bemerkte einige kleinere Tiere zwischen den Büschen, aber keine Menschen. Obwohl es seit der vergangenen Nacht nicht mehr regnete, hing die Feuchtigkeit der letzten Tage schwer in der Luft.
Das laute Brummen der Fleggen machte jede Unterhaltung beinahe unmöglich, und so nutzte jeder die Gelegenheit, um entweder den eigenen Gedanken nachzuhängen oder zu dösen.
Nur Aruula, die als Erste ritt, wirkte aufmerksam.
Matt gähnte. Der Translator, ein kleines Übersetzungsgerät mit Mikrofon und Lautsprecher, das Aiko in einen Spikkar-Schädel eingesetzt hatte, schlug bei jedem Huftritt leicht gegen seine Brust. Er trug es an einem Band um den Hals, was ihm schon einige seltsame Blicke eingebracht hatte. Da es so jedoch am praktischsten war, ignorierte er sie.
Seine Gedanken kehrten zu seinem Traum zurück. Es überraschte ihn, wie normal es sich angefühlt hatte, in einem Fast-Food-Restaurant zu stehen und eine Bestellung aufzugeben. Er konnte sich an die Leute erinnern, die hinter ihm gewartet hatten, an den dicken älteren Mann im viel zu engen Dodgers-T-Shirt und an seine ebenso dicke Tochter, die einen Nasenring trug und Kaugummi kaute. Alles stand klar vor seinem inneren Auge, das Gesicht des asiatischen Verkäufers, das Summen der Neonröhren und das Gefühl von Plastik unter seinen Handflächen.
Wenn er gekonnt hätte, wäre er in den Traum zurückgekehrt, nicht etwa, um etwas zu essen, sondern um den Laden zu verlassen und hinaus auf die Straße zu gehen. Noch einmal an einer Ampel zu warten, Autos vorbeifahren zu sehen, Rap aus einem Radio dröhnen zu hören und die ganz alltäglichen Dinge zu beobachten, die Menschen seit fünfhundert Jahren nicht mehr taten, all das wünschte er geträumt zu haben.
Vielleicht beim nächsten Mal , dachte er, wusste jedoch nicht, ob es wirklich erstrebenswert war, sich in Träumen an die Vergangenheit zu klammern. Wenn schon ein einfacher Besuch bei McDonalds eine solches Gefühl der Nostalgie erzeugen
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