078 - Im Netz der Lüge
… so kompliziert, dass man schnell einen Fehler begeht.«
Maddrax lehnte sich vor. »Was bedeutet kompliziert?«
»Wenn ich Arrekksej richtig verstehe, leben die Woiin'metcha nach einem komplexen Geflecht von Regeln, Gesetzen und Ritualen, die sich über Hunderte von Jahren entwickelt haben und von Außenstehenden kaum zu begreifen sind. Ihre Gesellschaft besteht aus unterschiedlichen Kasten. Es ist faszinierend, dass diese Kasten sogar unterschiedliche Sprachen sprechen, die je nach Ansehen…« Er brach ab, als er die Blicke bemerkte. »Aber das tut hier wohl nichts zur Sache…. hm … In jedem Fall bilden die Mastr'ducha als einziges Volk Dolmetscher aus, die für die anderen Völker mit den Woiin'metcha reden und Handel treiben.«
»Und das lassen sie sich natürlich bezahlen« , sagte Maddrax.
Jed nickte. »Richtig, das ist eine wichtige Einnahmequelle. Arrekksej ist ein solcher Dolmetscher, deshalb wurde er auch ausgesucht, um mit unserer… meiner … der anderen Expedition zu reden. Anscheinend sehen wir den Woiin'metcha zumindest halbwegs ähnlich.«
Arreksej begann wieder zu reden.
Aruula bemerkte, wie sich Jeds Gesicht mit jedem Wort weiter verschloss.
»Er sagt« , übersetzte er schließlich, und seine Stimme hatte einen dunkleren Klang, »dass wir uns nicht vorstellen können, wie gefährlich der Umgang mit den Woiin'metcha ist. Bei einem solchen Essen wie diesem hier gibt es Dutzende von Regeln zu beachten. Eine Frau darf nicht links neben einem Mann sitzen oder ihn während der Mahlzeit ansprechen, niemals darf man mit der gleichen Hand essen, mit der man Wasser trinkt. Man darf einen abgenagten Knochen nicht auf den Teller zurücklegen und muss nach dem Essen rülpsen. Das Fett eines Tieres muss abgewaschen werden und darf die Kleidung nicht berühren. Einen Raum mit dem linken Fuß zu betreten ist eine grobe Unhöflichkeit, einem Mann, der älter als man selbst ist, in die Augen zu blicken, eine Beleidigung.«
»Und was passiert, wenn ich all das doch tue?« , fragte Aiko.
»Das… äh, kommt darauf an. Wer einem alten Mann in die Augen sieht, wird geblendet, wer einen Raum mit dem linken Fuß betritt, verliert… hm … diesen Fuß, wer eine Frau beim Essen berührt, verliert die Finger einer Hand… und wer in seinem Leben gegen mehr als drei Regeln verstößt, wird … nun … getötet.«
Er senkte den Blick und drehte nervös einen kleinen Ast zwischen den Fingern. Aruula wusste, dass seine Gefährtin zusammen mit Smythe bei den Woiin'metcha war. Er tat ihr Leid.
»Nun« , sagte Mr. Black kalt, »damit hat sich ein Problem bereits erledigt. Symthes Schicksal liegt nicht mehr in unserer Hand.«
Jed sah auf. Der Ast zerbrach zwischen seinen Fingern. »Das ist nicht ganz korrekt.«
***
Smythe warf den abgenagten Tierknochen zurück auf den Teller, wischte sich die fettige Hand an der Hose ab und griff nach dem Tonkrug, um einen großen Schluck Wasser zu trinken.
Höflich unterdrückte er ein Rülpsen, bevor er dem alten Mann fest in die Augen sah und »Danke« sagte.
»Jacob« , sprach ihn Lynne links neben ihm an. »Sie verstehen nicht, was du sagst.«
»Sie verstehen den Tonfall. Es ist wie bei Hunden.« Er lächelte den alten Mann an. Der senkte den Blick und humpelte aus dem Raum. Smythe fiel erst jetzt auf, dass er ein Holzbein hatte.
Er legte seinen Arm um Lynne. Seit er sich in diesem kurzen Moment vor dem Zelt eingestanden hatte, sie zu lieben, fühlte er sich wesentlich entspannter in ihrer Nähe. Er sah zu den anderen Menschen, die am Tisch saßen und jetzt langsam ihre Mahlzeit beendeten.
Sie alle - wenn man einmal von Majela absah - wirkten erleichtert, nach der Verfolgung durch die Echsen endlich in Sicherheit zu sein.
»Glauben Sie, dass diese Leute Mönche sind, Sir?« , fragte Corporal Jackson.
»Möglicherweise.« Er zuckte zusammen, als er Lynnes Hand auf seinem Oberschenkel spürte. Ihre Finger wanderten langsam nach oben. »Sie sind sehr gastfreundlich. Vielleicht gehört das zu ihrer Religion.«
Die Männer und Frauen, denen sie bisher begegnet waren, verhielten sich tatsächlich ungewöhnlich freundlich, beinahe schon unterwürfig. Ihre ledrige dunkle Haut war rau wie Sandpapier, aber ihre Stimmen waren weich und leise. Sie bedienten unauffällig und zeigten keine Neugier. Smythe dachte darüber nach, ein paar Tage in dieser Stadt auszuruhen.
Lynnes Finger strichen über die Innenseite seiner Schenkel. Er zog scharf die Luft ein, drehte dann aber den
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