0786 - Angst vor der Hexe
hoch, es wird schon gut gehen.« Mit diesen aufmunternden Worten verabschiedete er mich.
Ich hatte einen schweren Gang anzutreten, denn ich musste den anderen sagen, was mit den Kindern geschehen war, und dann mussten wir uns auf die Suche machen. Jede Minute, die wir jetzt verloren, konnte verhängnisvolle Folgen für alle haben.
Die Freunde hatten natürlich auf mich gewartet. Als ich das Haus betrat, schauten sie mich ratlos, ängstlich und auch gespannt an. Ich zog die Handschuhe aus und erklärte mit möglichst ruhiger Stimme, dass es eine Spur gab.
»Was?« Cindy hatte ihr Gesicht nicht mehr in den Armen vergraben. Sie schaute jetzt hoch. Ich sah auf ihrem Gesicht die Gänsehaut, ihre Lippen zitterten. »Was für eine Spur, John? Was haben Sie herausgefunden. Bitte, reden Sie!«
»Keine Sorge, das werde ich.«
»Wo denn?«, rief auch Sheila.
»Das ist das Problem«, gab ich zu.
Diese Antwort hatte die Hoffnungen der Gibsons und der Conollys gedämpft, selbst Bill zeigte sich zerknirscht und schaute starr zu Boden.
»Ich habe einen Zeugen getroffen, der die Kinder gesehen hat. Sie fuhren in dem düsteren Teil des Waldes Ski, abseits der Piste! Mehr habe ich leider nicht herausfinden können.«
»In den düsteren Teil des Waldes«, flüsterte Brett und schauderte zusammen. »Mein Gott, das ist…«
»Ich weiß Brett, dass es schlimm ist. Aber ich konnte Ihnen leider keine andere Nachricht überbringen.«
Er nickte, ohne mich direkt zu meinen. Seine Augenbrauen zogen sich zusammen, eine Stirnfalte entstand, auf der Schweiß schimmerte. »Warum sind sie dort hingefahren, zum Henker? Warum?«
Ich hob die Schultern.
Brett Gibson sprang auf. »Verflucht noch mal!«, schrie er, »wir hatten es ihnen verboten, und erst recht nach den Vorfällen der vergangenen Nacht. Was sollte das denn? Dafür kann es einfach keinen Grund geben. Die… die sind doch nicht so dumm und …«
Bill drückte ihn wieder zurück auf den Stuhl. »Kann es nicht sein, dass die beiden in den Wald gelockt worden sind?«
»Ach ja? Von wem?«
»Das Gesicht!«, mischte sich die dunkelhäutige Cindy ein. »Das verdammte Gesicht am Fenster. Die Gestalten, die auch John Sinclair gesehen hat.« Sie zeigte hektisch auf mich. »Das ist es doch gewesen. Die beiden Alten, dieser Kinderschreck, sie haben die Schuld daran. Sie sorgen dafür, dass ein altes Märchen zu einer bösartigen und grausamen Realität wird. So und nicht anders muss es gewesen sein.« Sie konnte nicht mehr reden, sondern schüttelte den Kopf und fing an zu weinen.
Sheila setzte sich neben sie.
Während sie die tröstenden Worte sprach, gingen Bill und auch Brett an mir vorbei. Sie holten ihre Jacken, die Handschuhe, zogen die anderen Schuhe an.
Ich blieb derweil stehen.
Sheila blickte mich an.
Als ich nickte und mit dem Kopf nach draußen wies, da nickte sie ebenfalls.
Es gab nur die eine Möglichkeit.
Wir mussten hinaus in die Dunkelheit und die Kinder finden…
***
Die Ratten waren verschwunden, die Schakale auch, der Wald ebenfalls. Eine andere Umgebung hatte die Geschwister aufgenommen.
Wärme, Feuer, knisterndes Holz, flackerndes Licht, Schatten, die über die Wände huschten, ein übler Geruch – und sie!
Olinka stand vor ihnen und schaute sie an.
Auch Amy und Davy starrten in das Gesicht. Dabei hielten sie sich an den Händen fest, als wollten sie ihre Angst gleichmäßig verteilen.
Diese alte Frau zählte für sie zwar noch zu den Menschen, das nur am Rande. Eigentlich war sie eine Figur, eine böse Hexe, wie sie normalerweise nur in den Märchen vorkam.
Ihr Körper war durch einen langen Mantel oder einen dunklen Umhang verborgen. Da er bis zum Boden reichte und der Umhang auch den Kopf von drei Seiten her umspannte, war nur ihr Gesicht zu sehen. Ein Gesicht, das mit einem normalen nur wenig zu tun hatte. Es war einfach böse. Holz schnittartig, grau, faltig und rissig.
Hinzu kam die dunkle Brille, die die Augen der Frau verbarg, aber beide Kinder hatten den Eindruck, dass dahinter eine tödliche Kälte lauerte. Grau pur, und sie fürchteten sich vor dem Moment, wenn diese Person die Brille absetzte.
Der andere Mann war verschwunden. Er hatte sich zurückgezogen und hielt sich irgendwo im Haus versteckt. Für die Kinder war es eine große, finstere Höhle mit verborgenen Gängen und Zimmern, geheimnisvollen Winkeln und Verstecken.
Draußen legten sich die Schatten der Dämmerung über den Schnee und den Wald. Durch das Fenster floss kein Licht
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