0786 - Angst vor der Hexe
durch die Nase einatmete, auch er nahm den Rauchgeruch wahr.
Bretts Augen hatten sich geweitet. Er verzog den Mund. »Das, Bill, das genau ist es! Das Haus, der Rauch. Er… er kann nur von dort kommen. So riecht Holz, wenn es in einem Kamin verbrennt.«
Der Reporter nickte. »Ja, das glaube ich auch…«
»Wir sind bald da, wir…«
Etwas knackte in ihrer Nähe.
Unwillkürlich schauten sie zu Boden.
Das war ein Fehler, sie hätten besser in die Höhe schauen sollen.
Doch wer von ihnen hatte schon damit gerechnet, dass die Ratten auf den Bäumen gehockt hatten und plötzlich wie ein zappelnder, ekliger und hungriger Regen auf sie niederfielen…
***
Auf einmal war der Alte gekommen. Sie hatte seine Schritte irgendwo im Haus gehört. Jeder dumpfe Laut war an die Ohren der Kinder gedrungen, und er hatte sich für sie angehört wie ein Todesgong.
Dann war er in das Zimmer geschlurft. Noch immer trug er seine Mütze auf dem Kopf. Darunter zeichnete sich das runde Gesicht ab wie eine braune Maske. Er hielt etwas in der Hand, das die Kinder nicht sofort erkennen konnten, es schwang hin und her, produzierte Schatten, die über den Boden tanzten, als gehörte sie fliegenden Schlangen.
»Fesseln!«, sagte die Olinka.
Oleg nickte.
Die Geschwister erstarrten. Sie hockten am Tisch, sie wussten nicht, was sie machen sollten, aber beide sagten sich, dass es aus für sie war, wenn man sie erst einmal gefesselt hatte.
Das wollten sie nicht.
So wie sie konnten nur Geschwister reagieren, denn sie schnellten gleichzeitig in die Höhe. Dabei hatten sie sich nicht abgesprochen.
Durch den Schwung kippten die Stühle um, die Hexe schrie wütend auf. Die Schritte des Alten polterten ebenfalls hinter ihnen, als sie sich schon auf dem Weg zur Tür befanden.
Amy schrie, ihr Bruder war schneller als sie, deshalb erreichte er die Tür auch als erster. Er zerrte sie wuchtig auf, um sich in die Kälte und in den Schnee zu stürzen.
Was er für wenige Sekunden mitbekam, war mit einer düsteren Filmszene zu vergleichen, in der sich noch nichts bewegte, wenig später jedoch eine Action erlebte, in der die Ratten im Mittelpunkt standen.
Davy kam zu keinem Schrei.
Etwas wuchtete vom Boden her auf ihn zu. Es war für ihn eine zappelnde Wand, die plötzlich gegen ihn prallte, und er spürte die pelzigen, widerlichen Körper an dem seinen. Sie klammerten sich an ihm fest, sie glitten über seine Haut, sie rissen kleine Wunden, so dass Davy in seiner Panik rückwärts stolperte, nicht mehr an seine hinter ihm stehende Schwester dachte und diese mit zu Boden riss.
Beide fielen auf den schmutzigen Boden, und die Ratten huschten über sie hinweg wie ein zappelnder Teppich. Die Kinder hatten instinktiv die Arme hochgerissen, um die Gesichter zu schützen. Davy hörte seine Schwester schreien. In ihm, dem Älteren, erwachte der Beschützerinstinkt. Er wollte seine Schwester in Sicherheit bringen, rollte sich zur Seite und mit der zweiten Bewegung auch über sie.
Noch immer trappelten die kleinen Rattenfüße über den Pullover, aber die Tiere bissen glücklicherweise nicht zu. Anhand der Geräusche hörte er, wie sie über den Boden krabbelten. Die schrille Stimme der Hexe mischte sich in das kratzende Geräusch.
Sprach sie mit den Ratten?
Es hörte sich so an, denn derartige Laute konnten keinem Menschen gelten.
Davy blieb liegen. Unter sich spürte er den weichen Körper seiner Schwester. Amy schluchzte, sie zitterte, aber ihr Bruder hielt sie so lange fest, bis er den harten Griff spürte, und mit einem brutalen Ruck in die Höhe gezerrt wurde.
»Du kleiner Bastard!«, keifte die Hexe dicht neben ihm. Er kriegte einen Schlag gegen die Wange. Seine Haut schien vom Feuer verbrüht zu sein, so sehr glühte sie. Der Junge taumelte durch das Zimmer. Dicht neben dem Kamin prallte er gegen die Wand, blieb dort stehen und wischte sich zunächst die Augen tränenfrei, um einen Überblick zu bekommen. Den bekam er auch, doch es depremierte ihn.
Oleg schmetterte die Tür zu. Der Knall ließ den Jungen zusammenfahren. Sein Blick glitt wieder zurück in die Mitte des Raumes, wo seine Schwester am Boden lag. Amy hatte noch nicht die Kraft gefunden, sich aufzurichten. Sie lag da, hielt den Kopf gesenkt und weinte leise vor sich hin. In Davy fegte wieder die Wut hoch. Neue Tränen verschleierten seinen Blick. Er nahm nur schwach wahr, dass jemand auf ihn zukam, und als ihn die dicken Hände umfassten, da wusste er genau, dass es der Alte war, der
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