079 - Die Abenteuerin
Beschäftigung«, erklärte John schließlich.
»Viermal schon habe ich sie in einem eleganten Wagen durch die Straßen fahren sehen.«
»War sie allein?«
John nickte.
»Vielleicht ist sie zu einer Kundin geholt worden?«
»Aber eine solche Kundin würde eine Friseuse nicht von drei Uhr nachmittags bis elf Uhr abends beschäftigen«, entgegnete John hitzig. »Um diese Zeit kam sie nämlich zurück. Ich weiß, daß es nicht recht war, ihr nachzuspionieren, aber ich habe es getan, um endlich hinter ihr Geheimnis zu kommen. In letzter Zeit hatte sie außerdem unheimlich viel Geld. Ich habe auch mit ihrer Wirtin gesprochen. Ich besuchte sie unter dem Vorwand, Marjorie abholen zu wollen, und brachte sie schließlich so weit, daß sie mir verschiedenes erzählte. Dabei erwähnte sie auch, daß sie neulich einen Scheck über hundert Pfund für Marjorie bei der Bank eingelöst hat.«
»Hm«, erwiderte Lennox nachdenklich. Er war ebenso erstaunt wie sein Freund und dachte einige Zeit nach. »Es gibt sicher irgendeine ganz einfache Erklärung für diese Tatsachen. Deshalb würde ich mir keine grauen Haare wachsen lassen. Marjorie ist nicht leichtsinnig, das traue ich ihr unter keinen Umständen zu. Wann wirst du übrigens heiraten?«
John zuckte die Schultern. »Das weiß der Himmel. Du kannst leicht über solche Dinge reden, denn du bist reich, aber ich muß mindestens noch zwölf Monate sparen, bis ich daran denken kann.«
»Hast du dir schon einen Plan gemacht, wieviel du sparen willst?« fragte Lennox lächelnd.
»Tausend Pfund. Und sechshundert habe ich erst zusammen.«
»Nun, dann will ich dir Gelegenheit geben, nicht allein tausend, sondern zehntausend zu verdienen.«
»Wie soll ich das verstehen?«
»Es handelt sich um das Rennpferd Yamen, das meinem Onkel gehört. Ich sagte dir doch neulich, daß ich gut verdiente.
Jetzt ist die große Gelegenheit für dich gekommen.« Er erhob sich, ging zum Tisch, nahm die Morgenzeitung auf und blätterte darin.
»Hier kannst du lesen, wie die Wetten stehen. Yamen - sechs zu hundert. Yamen gewinnt aber das Derby bestimmt, und dann kannst du dein kleines Mädchen heiraten. Ich kann heute noch Wetten für dich abschließen. - Sechshundert zu zehntausend. Morgen sind die Chancen sicher nicht mehr so günstig.« »Aber wo denkst du hin! Ich bin doch nicht so reich, daß ich sechshundert Pfund aufs Spiel setzen könnte«, erwiderte John atemlos.
Lennox lachte. »Wenn du wüßtest, wie gering das Risiko ist, würdest du nicht soviel Aufhebens davon machen. Ich sage dir, hier kannst du das Geld direkt auf der Straße finden.«
»Nehmen wir einmal an, ich setzte sechzig Pfund auf das Pferd!«
»Sechzig Pfund!« wiederholte Lennox verächtlich. »Aber mein lieber Junge, welchen Zweck hätte denn das? Hier hast du nun einmal eine große Chance, und wenn du nicht ganz blödsinnig bist, nützt du sie. Morgen gibt es wahrscheinlich nur sechsfachen Gewinn. Wenn du jetzt zupackst, kannst du in ein paar Tagen ein Vermögen machen.«
Lennox verbreitete sich eine halbe Stunde lang über Pferde, besonders über Yamens schnellen Morgengalopp, und John hörte fasziniert zu.
»Ich werde jetzt einen Buchmacher anrufen und eine Wette für dich abschließen«, erklärte Lennox dann.
»Nein, warte noch«, entgegnete John heiser, als sein Freund nach dem Hörer langte. »Es ist doch ein ziemliches Risiko.«
»Aber der Gewinn ist auch entsprechend.«
Hätte Lennox mehr Zeit zur Verfügung gehabt, so hätte er die Wette selbst mit seinem Freund abgeschlossen, um ihm die sechshundert Pfund persönlich abzunehmen. Aber er kannte John Trevor. Den Mann mußte man überrumpeln. Es war nicht richtig, ihm Zeit zum Nachdenken zu lassen. Inzwischen konnte außerdem herauskommen, daß Yamen lahmte. Ein verärgerter Stallknecht konnte es ausplaudern, vielleicht hatte es auch jemand durch Zufall gesehen, oder ein Tierarzt erzählte es weiter. Auf tausend Wegen konnte ein Stallgeheimnis an die Öffentlichkeit gelangen. Lennox mußte also drängen. Sein Hauptziel konnte er ja auch so erreichen, denn wenn sein Freund die sechshundert Pfund verlor, mußte die Hochzeit aufgeschoben werden, und die Zeit konnte manches ändern.
»Gut, ich will die Wette riskieren«, sagte John schließlich und hörte wie im Traum, daß Lennox mit einem Buchmacher telefonierte.
»... bitte notieren Sie die Adresse: Mr. John Trevor, Castlemaine Gardens. - Ja, ich übernehme die Garantie. - Danke.«
Lennox legte den Hörer
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