0791 - Der COMP und der Kybernetiker
junge Frau im Verlauf einer komplexen Operation starb, weil der Medorobot, der den entscheidenden Schnitt vorzunehmen hatte, mitten im Schneiden plötzlich langsamer wurde.
Der sofort einsetzende Blutverlust konnte nicht rechtzeitig kompensiert werden, weil auch die Infusion von Blutkonserven unter der Kontrolle eines Roboters stand, der ebenfalls um das Fünfzigfache verlangsamt wurde.
In ihrem Quartier hatte sich Vylma Seigns, nachdem es ihr nicht gelungen war, Vigo Hynes zu erreichen, stundenlang den Kopf darüber zerbrochen, an wen sie sich mit der Schilderung ihrer fast unglaublichen Beobachtung wenden solle.
Sie war eingehend mit sich zu Rate gegangen, ob es sich nicht wirklich nur um einen Traum gehandelt haben könne. Schließlich gelangte sie zu der Erkenntnis, daß sie selbst diese Frage nicht beantworten konnte.
Da es sich aber bei dem beobachteten Vorgang um einen solchen handelte, der unter Umständen Einfluß auf die Sicherheit an Bord der SOL haben mochte, mußte sie auf jeden Fall Meldung erstatten und es anderen überlassen zu entscheiden, ob sie geträumt hatte oder nicht.
Sie beschloß, sich an den Mann zu wenden, der während ihres Einsatzes in der Abteilung Hyperphysik-I ihr oberster Vorgesetzter war: Geoffry Waringer.
Sie aktivierte ihren Interkomanschluß und tippte die Taste INFO, um sich Waringers Rufkode geben zu lassen. Daraufhin hätte zweierlei geschehen sollen.
Erstens hätte sich ein energetischer Mikrophonring bilden müssen, durch den Vylma sprechen konnte, und zweitens hätte auf dem Bildschirm der Anfang des Rufkodeverzeichnisses erscheinen sollen.
Sie war verblüfft, als keines der beiden Ereignisse eintrat.
Sekundenlang starrte sie auf die tote Bildfläche. Dann sah sie, wie sich aus dem Aufbau des Interkoms langsam, fast wie gequält, ein sanftleuchtender Energiefaden schlängelte, sich von dem Gehäuse löste und mit entnervender Langsamkeit den Sprechring zu bilden begann.
Als sie den Blick zurück zum Bildschirm wandte, war inzwischen dort der Beginn des Verzeichnisses erschienen.
Mit einer Handbewegung holte sie den gewichtlosen Sprechring zu sich heran.
„Warum dauert das alles so lange?" fragte sie ungeduldig.
Der Empfänger antwortete zunächst nicht. Vylma versuchte, auf dem Bildschirm zu blättern, d.h. die nächstfolgenden Seiten des Rufkodeverzeichnisses aufzurufen.
Auf den ersten Schalterdruck rührte sich vorerst nichts. Erst zehn oder fünfzehn Sekunden später verschwand das Bild, und nach nochmals ebenso langer Zeit erschien die zweite Seite des Verzeichnisses.
Schließlich erwachte auch der Empfänger zum Leben. Aber anstatt der Robotstimme, die sonst den Informationssuchenden antwortete, ertönte ein langgezogenes, tiefes Grunzen wie von einem Tonband, das mit einem Bruchteil der Aufnahmegeschwindigkeit wieder abgespielt wurde.
Vylma begriff - und begriff doch wieder nicht. Sie verstand, daß irgendein Umstand die Elektronik des Interkom-Systems auf wenige Prozent ihrer üblichen Geschwindigkeit verlangsamt hatte. Aber sie wußte nicht, welcher Umstand das war und was er bedeutete.
Seufzend schaltete sie den Interkom ab.
Es würde ihr nichts anderes übrigbleiben, als ihre Meldung von Angesicht zu Angesicht an den Mann zu bringen.
Sie stand auf und bemerkte zum erstenmal, daß die Luft in ihrem Quartier dumpf und stickig geworden war.
*
Wenn der Stellvertreter der Kaiserin unwirsch wurde, dann bediente er sich bei der Kommunikation mit den ihm unterstellten Wesenheiten eines besonderen Kodes. Überall im Reich der Kaiserin bedeutete dieser Kode, daß der Stellvertreter Anlaß hatte, sich über die Tätigkeit seiner Untergebenen zu beschweren.
Überall in der Mächtigkeitsballung der Kaiserin von Therm reagierten die dem Stellvertreter untergeordneten Wesenheiten auf diesen Kode, in dem sie ihre Anstrengungen verdoppelten oder verdreifachten - je nachdem, wie es die Lage erforderte.
An solches war der Stellverteter gewöhnt. Daher beunruhigte ihn zutiefst, was ihm an Bord des Raumschiffs der Menschen widerfuhr.
Auf die im Schaltkode formulierten Impulse reagierte der untergebene Rechner zunächst überhaupt nicht. Die innere Uhr des Stellvertreters führte mehrere Milliarden Zyklen aus, bevor der Untergebene - SENECA nannte er sich - das erste Anzeichen dafür lieferte, daß er die Botschaft des Stellvertreters überhaupt empfangen hatte.
Der Stellvertreter hatte Mühe, SENECAs Replik überhaupt zu verstehen. Die Impulse kamen
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