0795 - Netz des Todes
„dann kommen wir zwar noch zur Hundertsonnenwelt, aber der Rückflug dürfte problematisch werden."
Der Kommandant starrte Tekener ausdruckslos an und wendete seine Aufmerksamkeit dann wieder den Kontrollen zu.
Der Aktivatorträger ärgerte sich. Er hatte wenigstens eine Antwort erwartet.
Die REDHORSE fiel in den Normalraum, und die Leute um Tekener herum arbeiteten fieberhaft. Das Schiff war restlos unterbesetzt -warum gab man ihm nicht irgendeine Arbeit? Er hatte Dorney gefragt, aber der Kommandant hatte abgelehnt.
„Wir schaffen das schon, Sir."
Es dauerte nur ein paar Sekunden.
„Ortung negativ."
Dorney nickte und ließ eine Taste hochschnellen.
„Die Maschinen halten es noch aus", stellte er fest. „Juliette, was sagt der Klapperkasten? Sind wir auf dem richtigen Kurs oder nicht."
„Ein paar Sekunden mußt du diesem Hochleistungsmodell schon gönnen!" erwiderte ein weißblondes Mädchen schnippisch.
„Die Sekunden sind um."
Das Mädchen seufzte und starrte die Positronik an.
Das Observatorium in Deck elf war wegen Personalmangels nicht besetzt, aber das machte der Positronik nichts aus.
„Na also", murmelte Dorney, als er die Werte erhielt. Eine winzige Korrektur war nötig. „Ab die Post!"
Und schon leitete Aher das nächste Linearmanöver ein.
Tekener grunzte unwillig.
„Warum tun Sie das?" fragte er scharf. „Sie beachten ja nicht einmal die simpelsten Vorschriften. Ich sehe nicht ein, warum Sie die REDHORSE unbedingt in ein Wrack verwandeln wollen.
Was versprechen Sie sich davon? Die Ortung konnte nicht ein einziges Raumschiff ausmachen!"
Diesmal hielt der Kommandant es nicht einmal für nötig, den ehemaligen USO-Spezialisten anzusehen. Seine Antwort bestand in einem stummen Schulterzucken.
Ronald Tekener sprang auf. Nur mit Mühe unterdrückte er den Impuls, Dorney anzubrüllen. Er wußte, daß er damit keinen Erfolg hatte. Er hatte es nämlich schon ausprobiert.
Er hielt es in diesem Raum nicht mehr aus. Das Verhalten dieser Leute war völlig unerklärlich. Abgesehen davon verstärkte sich in dem Aktivatorträger der Verdacht, in der REDHORSE ein nicht gerade lieber Gast zu sein.
Draußen, in dem leeren Ringkorridor, sah er sich ratlos um.
Er hatte in den vier Tagen, die seit dem Abflug vergangen waren, immer wieder versucht, das Geheimnis zu lüften, was diesen Flug umgab. Er hatte sich mit fast allen Mitgliedern der Besatzung unterhalten, und er hatte auch wiederholt mit Jennifer gesprochen. Sie ließen sich über nichtssagende Themen weitschweifig aus, aber sobald er gewisse heikle Punkte berührte, wurden sie schweigsam oder verschanzten sich hinter dem offiziellen Auftrag. Seine Argumente wurden gar nicht erst aufgegriffen.
Ziellos wanderte er durch das fast leere Schiff, bis er an einen Antigravschacht geriet. Gedankenverloren schwang er sich hinein und ließ sich nach unten tragen. Er wußte nicht, wonach er suchte, aber er hoffte, irgendeinen Hinweis zu finden.
Dieser Hinweis kam.
Er näherte sich dem Aktivatorträger in der Gestalt Jennifer Thyrons. Das Mädchen hatte aus irgendeinem Grund die unteren Decks aufgesucht und befand sich nun auf dem Rückweg.
Tekener sah sie, wie sie ihm entgegenschwebte.
Er dachte an nichts Böses und war völlig überrascht, als Jennifer bei seinem Anblick heftig erschrak. Das Mädchen verlor für einen Augenblick die Kontrolle über ihren Körper, stieß sich den Ellbogen an der Schachtwand und stieß einen leisen Schmerzenslaut aus. Gleichzeitig segelte sie quer durch den Schacht auf Tekener zu und prallte mit ihm zusammen.
Geistesgegenwärtig hielt er sie fest, ehe sie abermals gegen die Wand geschleudert wurde.
„Nicht so hastig!" brummte er und schob sie behutsam vorwärts, bis sie den nächsten Ausgang erreichten.
„Verflixt!" sagte sie und hielt sich den rechten Arm. „Das tut weh."
„Zeig her!"
Er konnte keine ernsthafte Verletzung feststellen. Jennifer hatte sich lediglich eine mittlere Prellung zugezogen. Allerdings war ihr der Schreck in die Knochen gefahren. Sie zitterte am ganzen Leibe, und Tekener vergaß für den Moment die rätselhaften Dinge, die ihn so beunruhigt hatten.
„Ich bringe dich in deine Kabine!" sagte er.
„Das ist nicht nötig", wehrte sie ab. „Ich schaffe es schon. Es ist ja nichts passiert."
Aber sie meinte das nicht ernst, und Tekener merkte es.
Gemeinsam schwebten sie nach oben, verließen in der Nähe der Kommandozentrale den Schacht und betraten kurz darauf Jennifers Kabine.
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