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08-Die Abschussliste

08-Die Abschussliste

Titel: 08-Die Abschussliste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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auf Summer warten. Sie war damit beschäftigt, Vassell und Coomer durch das Aufnahmeverfahren zu schleusen.
Ich kam mir wie am Ende einer langen Reise vor. Ich nahm eine geliehene Pistole mit, aber meine Entscheidung, allein loszufahren, war trotzdem falsch.

23
    Zu Fort Irwin gehörten so große Teile der Mojavewüste, dass der Übungsplatz einen plausiblen Ersatz für die weiten Wüsten des Nahen Ostens oder - wenn man die Hitze und den Sand ignorierte - die endlosen Steppen Osteuropas darstellte. Was bedeutete, dass die Gebäude des Stützpunkts längst hinter mir verschwunden waren, bevor ich auch nur ein Zehntel des Weges bis zu dem angekündigten Sheridan-Panzer zurückgelegt hatte. Ich befand mich völlig allein in dem Gelände. Im Januar flimmerte die Luft nicht vor Hitze, aber die Temperatur war trotzdem ziemlich hoch. Ich entschied mich für etwas, das im inoffiziellen Humvee-Handbuch »Klimaregelung 2-40« hieß: Ich öffnete zwei Fenster und fuhr vierzig Meilen in der Stunde. Das bewirkte einen angenehmen Luftaustausch. Normalerweise kommt einem diese Geschwindigkeit in einem Humvee ziemlich schnell vor, aber hier draußen in der Weite schien das überhaupt kein Tempo zu sein.
    Nach einer Stunde hatte ich die Hütte noch immer nicht erreicht. Dies war einer der größten Truppenübungsplätze der Welt. Das stand fest. Ich kam über einen Hügelrücken und sah unter mir eine leere Ebene mit einem Pünktchen am Horizont, das vielleicht die Hütte war, und einer Staubwolke ungefähr fünf Meilen westlich, die von fahrenden Panzern stammen konnte.
    Ich blieb auf der Fahrspur. Das Pünktchen verwandelte sich in einen Punkt und wurde dann umso größer, je mehr ich mich ihm näherte. Nach einer Meile konnte ich zwei Umrisse unterscheiden - links der alte Panzer, rechts die Beobachterhütte -
nach einer weiteren drei Umrisse: links der alte Panzer, rechts die Hütte, in der Mitte Major Marshalls Humvee. Das Fahrzeug stand westlich des Gebäudes im Morgenschatten. Es schien die Panzerjägerausführung zu sein, die ich beim XII. Korps in Deutschland gesehen hatte. Das Gebäude war ein Klotz aus unverputzten Hohlblocksteinen mit großen Löchern als Fenster. Keine Scheiben. Der Panzer war ein alter M551, der ungefähr ein Viertel des Kampfpanzers M1A1 Abrams wog und genau dem Typ entsprach, auf den Leute wie Oberstleutnant Simon in Zukunft setzten. Er war bei unseren Luftlandetruppen im Einsatz gewesen. An sich kein schlechtes Gerät, auch wenn dieses Exemplar reichlich mitgenommen aussah. Sein Laufwerk hatte man mit Sperrholzschürzen verkleidet, damit der Sheridan wie ein älterer sowjetischer Panzer aussah.
    Ich ließ das Humvee etwa dreißig Meter südlich der Hütte ausrollen und stieg aus. Vermutlich herrschten hier weniger als fünfundzwanzig Grad, aber nach North Carolina, Frankfurt und Paris kam ich mir vor wie in Saudi-Arabien.
    Ich merkte, wie Marshall mich durch eine der Öffnungen zwischen den Hohlblocksteinen beobachtete.
    Ich hatte ihn erst einmal und nie von Angesicht zu Angesicht gesehen. Das war am Neujahrstag in Fort Bird vor dem Stabsgebäude in dem Grand Marquis gewesen - bei Dunkelheit und hinter getönten Scheiben. Ich hatte ihn damals als groß und schwarzhaarig eingeschätzt, was seine Personalakte dann auch bestätigte. Und so sah er auch jetzt aus: groß, schwer, dunkler Teint, dichtes schwarzes Haar, das er kurz geschnitten trug. Er trug einen Wüstentarnanzug und stand etwas gebückt, um aus der Öffnung blicken zu können.
    Ich blieb neben dem Humvee stehen. Er beobachtete mich schweigend.
    »Marshall!«, rief ich.
    Er reagierte nicht.
    »Sind Sie dort drinnen allein?«
    Keine Antwort.

    »Militärpolizei!«, rief ich lauter. »Alle verlassen sofort dieses Gebäude!«
    Niemand reagierte. Niemand kam ins Freie. Durch das Loch konnte ich weiter Marshall erkennen. Ich vermutete, dass er allein sei.
    »Marshall!«, rief ich noch mal.
    Er duckte sich weg. Verschmolz mit den Schatten im Innern der Hütte. Ich zog meine geliehene Pistole, eine fabrikneue Beretta M9. Mir kam eine alte Ausbildungsregel in den Sinn: Traue keiner Waffe, die du nicht selbst ausprobiert hast. Ich lud sie durch. In der Wüstenstille klang dieses Geräusch sehr laut. Ich sah die Staubwolke im Westen. Sie war vielleicht ein wenig größer und näher als zuvor. Ich entsicherte die Beretta.
    »Marshall!«, rief ich.
    Er gab keine Antwort. Aber ich hörte sehr leise eine unverständliche Stimme und dann ein kratziges

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