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08-Die Abschussliste

08-Die Abschussliste

Titel: 08-Die Abschussliste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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tiefer und hatte die Hütte ein wenig über mir. Ich zielte hoch auf die Innenseite der Fensterlaibung und drückte erneut ab.
    »Marshall!«, rief ich laut. »Wenn Sie Selbstmord verüben wollen, indem Sie sich von einem Cop erschießen lassen, habe ich nichts dagegen.«
    Keine Antwort. Ich hatte drei Patronen verschossen. Also blieben mir noch zwölf. Ein cleverer Kerl hätte sich einfach auf
den Boden gelegt und mich weiterballern lassen. Hinter der Fensterbank war er ziemlich sicher. Ich konnte versuchen, Geschosse von der Decke oder der hinteren Wand abprallen zu lassen, aber Querschläger funktionierten nicht unbedingt wie Billardkugeln. Sie waren unberechenbar und unzuverlässig.
    Ich sah eine Bewegung am Fenster.
    Er war bewaffnet.
    Allerdings nicht mit einer Faustfeuerwaffe, sondern mit einer großkalibrigen Schrotflinte. Schwarz. Der auf mich gerichtete Lauf hatte ungefähr das Format eines Regenrohrs. Ich vermutete, dass es sich um eine Ithaca Mag-10 handelte. Eine äußerst effektive Waffe. Wollte man eine Schrotflinte, gehörte die Mag- 10 mit zum Besten auf dem Markt. Ihren Spitznamen Straßenblocker verdankte sie ihrer Wirksamkeit gegen ungepanzerte Fahrzeuge. Ich wich zurück und brachte den Motorblock des Humvees zwischen mich und die Hütte. Machte mich so klein wie möglich.
    Dann hörte ich wieder das Funkgerät. Der Funkspruch war sehr kurz und leise und von Rauschen überlagert, aber der Sprechrhythmus ließ auf sechs fragend klingende Silben schließen. Vielleicht bitte wiederholen? Etwas, das man hörte, wenn man einen unklaren Befehl erteilte.
    Noch mal diese sechs Silben. Bitte wiederholen . Dann vernahm ich Marshalls Stimme. Kaum hörbar. Drei Silben, von denen die erste etwas stärker betont wurde. Vielleicht positiv?
    Mit wem redet er, und was ordnet er an?
    »Geben Sie auf, Marshall!« rief ich. »Oder wollen Sie noch tiefer in die Scheiße geraten?«
    Ein Vermittler, der um das Leben von Geiseln feilschte, hätte das als Frage bezeichnet, die den Täter unter Druck setzen sollte. Juristisch war sie jedoch sinnlos. Erschoss er mich, würde er in Leavenworth landen, tat er es nicht, auch. Das machte praktisch keinen Unterschied. Jeder vernünftige Mensch hätte sie ignoriert.
    Marshall ignorierte sie. Er reagierte sehr vernünftig. Er ignorierte
sie und schoss stattdessen mit der großen Ithaca, was ich an seiner Stelle ebenfalls getan hätte.
    Theoretisch war dies der Augenblick, auf den ich gewartet hatte. Nach einem Schuss mit einer Langwaffe, die bestimmte Handgriffe erfordert, bevor der nächste Schuss abgefeuert werden kann, ist der Schütze erst einmal verwundbar. Ich hätte sofort aus der Deckung kommen und mit gezieltem tödlichem Feuer antworten müssen. Aber die betäubende Wirkung eines großkalibrigen Schrotschusses hielt mich eine halbe Sekunde lang davon ab. Ich wurde nicht getroffen. Die Streuung war gering, und der Wirkungsbereich lag genau über dem linken Vorderrad des Humvees. Ich spürte, wie der Reifen zerplatzte, bevor das Fahrzeug fünfundzwanzig Zentimeter tief auf den Sand sackte. Überall war Rauch und Staub. Als ich eine halbe Sekunde später aufblickte, war der Lauf der Schrotflinte verschwunden. Ich schoss auf die Oberkante der Fensterlaibung. Das Geschoss sollte senkrecht abprallen und von oben durch seinen Kopf gehen.
    Das geschah leider nicht. Er meldete sich wieder.
    »Ich lade jetzt nach«, ließ er mich wissen.
    Das stimmte vermutlich nicht. Eine Mag-10 enthielt drei Patronen. Er hatte erst eine verschossen. Vermutlich wollte er, dass ich aus der Deckung kam und meine Position veränderte. Dann würde er sich aufrichten und mich abknallen. Also blieb ich in Deckung. Nachzuladen gab es bei mir nichts. Ich hatte vier Patronen verschossen, noch elf im Magazin.
    Ich hörte erneut das Funkgerät. Ein kurzes Rauschen, zwei Wörter mit fünf Silben, von denen die vorletzte betont wurde. Verstanden, Ende . Knapp und locker, fast nachlässig dahingesagt.
    Marshall schoss wieder. Ich sah den schwarzen Flintenlauf am Fenster auftauchen, dann ertönte ein lauter Schussknall, und das Heck des Humvees sackte fünfundzwanzig Zentimeter tief auf den Sand. Ich lag sekundenlang hinter dem Fahrzeug ausgestreckt und versuchte, unter ihm hindurchzusehen. Er zerschießt
die Reifen. Ein Humvee kann mit platten Reifen fahren. Das stand im Lastenheft des Herstellers. Aber er kann nicht ohne Reifen fahren. Und eine großkalibrige Schrotflinte macht einen Reifen nicht nur platt,

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