08-Die Abschussliste
verpasste ihre Chance. Sie wartete zu lange. Die Nonne riss die Folie auf und begann ihr Sandwich zu essen.
»Verdammt«, schimpfte ich.
»Tut mir Leid«, meinte Summer.
Ich sah sie an. »Was hast du gesagt?«
»Ich habe gesagt, dass es mir Leid tut.«
»Nein, davor. Was du zuletzt gesagt hast.«
»Ich habe gesagt, dass ich sie das nicht einfach fragen kann.«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein, bevor das Frühstück gekommen ist.«
»Ich habe gesagt, dass der Fall auf tönernen Füßen steht.«
»Noch davor.«
Sie überlegte. »Ich habe gesagt, dass Vassell und Coomer damit durchgekommen wären, wenn du Willard nicht ignoriert hättest.«
Ich nickte. Dachte eine Minute lang über diese Tatsache nach. Dann schloss ich die Augen.
Ich öffnete sie erst in Los Angeles wieder. Draußen wurde es gerade hell. Eine Lautsprecherstimme teilte uns mit, in Kalifornien sei es sieben Uhr morgens. Summer und ich waren zwei volle Tage nach Westen unterwegs gewesen. Ich hatte eine Weile geschlafen und war eigentlich nicht müde. Aber ich hatte Hunger.
Wir gingen von Bord und zur Gepäckausgabe. Dort warteten Fahrer auf Leute, die sie abholen sollten. Ich sah mich um. Stellte fest, dass Calvin Franz niemanden geschickt hatte. Stattdessen war er selbst gekommen. Das war mir nur recht. Nun wusste ich, dass wir uns in guten Händen befanden.
»Ich hab Neuigkeiten für dich«, sagte er.
Ich machte ihn mit Summer bekannt. Er schüttelte ihr die Hand und nahm ihr die Reisetasche ab. Sein Humvee parkte im Halteverbot. Aber die Cops ignorierten es geflissentlich. Diese Wirkung haben Humvees mit schwarz-grünem Tarnanstrich oft. Wir stiegen rasch ein. Ich ließ Summer vorn sitzen und nahm auf dem Rücksitz Platz.
»Sie haben den Grand Marquis gefunden«, teilte uns Franz mit.
Er ließ den großen Turbodiesel aufheulen und fuhr los. Fort Irwin lag knapp nördlich von Barstow - ungefähr dreißig Meilen quer durch L. A. Ich schätzte, dass die Fahrt im morgendlichen Berufsverkehr ungefähr eine Stunde dauern würde.
»Er hat in Andrews gestanden«, fuhr Franz fort. »Am fünften Januar dort abgestellt.«
»Als Marshall nach Deutschland zurückgerufen wurde«, sagte ich.
Franz nickte. »So steht’s im Wachbuch am Haupttor. Von Marshall mit einem Aufkleber des Transportation Corps geparkt. Unsere Männer haben ihn auf einem Anhänger zum FBI geschafft. Das war die schnellste Methode. Sie mussten ein paar Gefälligkeiten einfordern. Das Bureau hat die ganze Nacht daran gearbeitet. Erst widerwillig, dann jedoch mit rasch wachsendem Interesse. Anscheinend passen die Spuren zu einem Fall, in dem das FBI gerade ermittelt.«
»Brubaker«, sagte ich.
Er nickte wieder. »Auf der Kofferraummatte sind Spuren von Brubaker gefunden worden. Genau gesagt Blut und Gehirnmasse. Die Matte war mit Papierhandtüchern gesäubert worden, aber nicht gründlich genug.«
»Sonst noch was?«, fragte ich.
»Ja. Zum Beispiel weitere Blutspuren anderer Herkunft, nur geringe Mengen davon, wie von einem Jackenärmel oder einer Messerklinge.«
»Carbones Blut«, erklärte ich. »Weil Marshall anschließend im Kofferraum gelegen hat. Haben sie das Messer gefunden?«
»Nein«, sagte Franz. »Aber der Kofferraum ist innen voll von Marshalls Fingerabdrücken.«
»Kein Wunder«, meinte ich. »Er hat mehrere Stunden darin verbracht.«
»Unter der Kofferraummatte hat eine einzelne Erkennungsmarke gelegen«, sagte Franz. »Als wäre die Halskette gerissen.«
»Carbones?«
»Von wem sonst.«
»Amateurhaft«, sagte ich. »Sonst noch was?«
»Das Übliche. Der Wagen war nicht besonders gut aufgeräumt. Jede Menge Haare und Fasern, Pizzakartons, Getränkedosen, solche Dinge.«
»Auch Joghurtbecher?«
»Einer«, sagte Franz. »Im Kofferraum.«
»Erdbeer- oder Himbeergeschmack?«
»Erdbeere. Marshalls Fingerabdrücke am Aufreißer des Aludeckels. Offenbar eine kleine Zwischenmahlzeit.«
»Aufgerissen hat er ihn«, bemerkte ich. »Aber nicht gegessen.«
»Und ein leerer Briefumschlag«, fuhr Franz fort. »An Kramer beim XII. Korps in Deutschland adressiert. Luftpost, vor einem Jahr abgestempelt. Ohne Absenderangabe. Ein fester Umschlag wie für Fotos, aber ohne Inhalt.«
Ich schwieg. Er sah mich im Rückspiegel an.
»Hilft euch irgendwas davon weiter?«, fragte er.
Ich grinste. »Damit haben wir uns von bloßen Spekulationen zu Indizien hochgearbeitet.«
»›Ein riesiger Sprung für die Menschheit‹«, sagte er.
Ich dachte an Carbone,
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