08-Die Abschussliste
sich Ihr Gepäck im Dienstwagen des Pentagon.«
»Richtig.«
»Wo steht der Wagen?«
»Unten vor Ihrem Stabsgebäude.«
»Das ist nicht mein Stabsgebäude«, sagte ich. »Ich bin nur hierher abkommandiert.«
Ich wandte mich zu Summer und wies sie an, die Aktenkoffer der beiden aus dem Wagen zu holen. Sie waren fuchsteufelswild, aber sie wussten, dass sie mich nicht daran hindern konnten. Zivile Auffassungen von ungerechtfertigter Durchsuchung, von Beschlagnahmung, Durchsuchungsbefehlen und begründetem Verdacht gelten ab dem Haupttor eines Militärstützpunktes nicht mehr. Während Summer unterwegs war, beobachtete ich die beiden. Sie waren verärgert, aber nicht besorgt. Also hatten sie die Wahrheit gesagt, was die Konferenz in Irwin betraf, oder die entsprechenden Papiere schon beseitigt. Trotzdem spielte ich die Sache pro forma bis zum Ende durch. Summer kam mit zwei identischen Aktenkoffern zurück. Sie glichen genau dem, den Kramer auf den Fotos im Silberrahmen bei sich hatte. Stabsoffiziere sind auf alle mögliche Weise Arschkriecher.
Ich durchsuchte die Aktenkoffer auf meinem Schreibtisch. In beiden fand ich Pässe, Flugtickets, Reisegutscheine und Terminplaner. Aber keine Tagesordnung für Fort Irwin.
»Entschuldigen Sie die Unannehmlichkeiten«, sagte ich.
»Zufrieden, junger Mann?«, fragte Vassell.
»Mrs. Kramer ist auch tot«, sagte ich. »Wissen Sie das?«
Ich ließ sie nicht aus den Augen und stellte fest, dass sie’s nicht gewusst hatten. Sie starrten mich und einander an, wurden blass und nervös.
»Wie?«, fragte Vassell.
»Wann?«, fragte Coomer.
»Letzte Nacht«, gab ich zur Antwort. »Sie ist ermordet worden.«
»Wo?«
»In ihrem Haus. Von einem Eindringling.«
»Wissen wir, wer es war?«
»Nein, das wissen wir nicht. Dies ist nicht unser Fall. Mrs. Kramer war Zivilistin.«
»Was ist passiert? Ein Einbruch?«
»Damit könnte es angefangen haben.«
Sie schwiegen. Summer und ich begleiteten sie nach unten und sahen zu, wie sie in den Pentagon-Dienstwagen stiegen. Er war ein Mercury Grand Marquis, einige Jahre jünger als Mrs. Kramers alter Dampfer und schwarz statt grün. Ihr Fahrer, ein großer Mann im Kampfanzug, trug Namensschild und Rangabzeichen in der kleinen Ausführung, und ich konnte bei Dunkelheit weder Namen noch Dienstgrad erkennen. Aber er wirkte nicht wie ein Mannschaftsdienstgrad. Er wendete auf der leeren Straße und rauschte mit Vassell und Coomer davon. Wir beobachteten, wie die Heckleuchten sich nach Norden entfernten, das Haupttor passierten und dann im Dunkel verschwanden.
»Was denken Sie?«, sagte Summer.
»Ich denke, dass sie voller Scheiße sind«, antwortete ich.
»Voller wichtiger Scheiße oder gewöhnlicher Stabsoffiziersscheiße?«
»Sie lügen«, sagte ich. »Sie sind nervös, sie lügen, und sie sind dumm. Wieso macht Kramers verschwundener Aktenkoffer mir Sorgen?«
»Vertrauliche Unterlagen«, meinte sie. »Was immer er nach Kalifornien mitnehmen wollte.«
Ich nickte. »Die beiden Kerle haben es vorhin für mich definiert. Es ist die Tagesordnung selbst.«
»Wissen Sie bestimmt, dass es eine gegeben hat?«
»Eine Tagesordnung gibt’s immer. Und sie steht immer auf Papier. Will man das Hundefutter in den K-9-Zwingern ändern, braucht man dazu siebenundvierzig einzelne Besprechungen mit siebenundvierzig Tagesordnungen. Also hat’s auch eine für Irwin gegeben, das steht fest. Ihre Existenz zu leugnen, war völlig idiotisch. Hatten sie etwas zu verbergen, hätten sie behaupten können, sie sei so geheim, dass ich sie nicht sehen dürfe.«
»Vielleicht ist die Tagung wirklich nicht sehr wichtig.«
»Bockmist! Sie ist sehr wichtig.«
»Weshalb?«
»Weil ein Zweisternegeneral hingereist ist. Und ein Einsternegeneral. Und weil gestern Silvester war, Summer. Wer fliegt schon an Silvester und übernachtet in einem miesen Etappenhotel? Und dieser Jahreswechsel wurde in Deutschland besonders gefeiert. Die Berliner Mauer ist gefallen. Wir haben nach fünfundvierzig Jahren endlich gesiegt. Die Partys müssen unglaublich gewesen sein. Wer hätte sie wegen irgendeiner unwichtigen Tagung versäumen wollen? Wenn solche Typen an Silvester ein Flugzeug besteigen, muss diese Konferenz in Irwin verdammt wichtig gewesen sein.«
»Mrs. Kramers Tod hat sie verstört. Mehr als der Fall Kramer selbst.«
Ich nickte. »Vielleicht haben sie Mrs. Kramer gemocht.«
»Sie müssen auch Kramer gemocht haben.«
»Nein, er ist nur ein taktisches Problem. Auf
Weitere Kostenlose Bücher