08-Die Abschussliste
ihrer Ebene werden solche Dinge unsentimental betrachtet. Sie haben sich an ihn gehängt, und nun da er tot ist machen sie sich Sorgen, was das für sie bedeuten kann.«
»Vielleicht eine Beförderung.«
»Vielleicht«, sagte ich. »Aber falls Kramer sich als Belastung erweist, könnten sie mit ihm untergehen.«
»Dann müssten sie jetzt beruhigt sein. Sie haben ihnen zugesichert, alles Unangenehme zu vertuschen.«
Ihre Stimme klang jetzt fast ein wenig streng. Als wollte sie andeuten, ich hätte besser daran getan, ihnen nichts dergleichen zu versprechen.
»Wir schützen die Army, Summer«, erklärte ich. »Wie Familienangehörige. Dafür sind wir da.« Ich hielt inne. »Aber ist Ihnen aufgefallen, dass sie auch danach nicht die Klappe gehalten haben? Sie hätten meinen Hinweis akzeptieren sollen. Vertuschung gefordert, Vertuschung zugesichert. Frage und Antwort, Auftrag ausgeführt.«
»Sie wollten wissen, wo seine Sachen sind.«
»Ja. Und wissen Sie, was das bedeutet? Es bedeutet, dass auch sie Kramers Aktenkoffer suchen. Wegen der Tagesordnung. Kramers Exemplar ist das einzige, das sie nicht selbst in Händen halten. Sie waren hier, um festzustellen, ob ich es habe.«
Summer sah in die Richtung, in die ihr Wagen verschwunden war. In der Luft hingen noch immer Auspuffgase. Säuerlicher Katalysatorgeruch.
»Wie funktionieren zivile Rettungsdienste?«, fragte ich sie. »Nehmen wir mal an, Sie wären meine Frau und ich hätte einen Herzanfall. Was tun Sie dann?«
»Ich rufe neun-eins-eins an.«
»Und was passiert anschließend?«
»Der Krankenwagen fährt vor. Bringt Sie in die Notaufnahme.«
»Und nehmen wir mal an, ich käme tot an. Wo wären Sie inzwischen?«
»Ich hätte Sie ins Krankenhaus begleitet.«
»Und wo wäre mein Aktenkoffer?«
»Zu Hause«, sagte sie. »Wo Sie ihn zurückgelassen hätten.« Sie machte eine Pause. »Was? Sie glauben, dass letzte Nacht jemand in Mrs. Kramers Haus war, um den Aktenkoffer zu suchen?«
»Das wäre eine plausible Abfolge«, sagte ich. »Irgendwer hört, dass er einen tödlichen Herzinfarkt gehabt hat, nimmt an, der Tod sei im Krankenwagen oder in der Notaufnahme eingetreten, vermutet weiterhin, seine Frau habe ihn begleitet, fährt hin und erwartet, ein leeres Haus mit einem Aktenkoffer darin vorzufinden.«
»Aber Kramer war nie dort.«
»Trotzdem war’s eine vernünftige Annahme.«
»Sie verdächtigen Vassell und Coomer?«
Ich schwieg.
»Das ist verrückt«, meinte Summer. »Die beiden sind nicht der Typ für so was.«
»Lassen Sie sich durch ihr Aussehen nicht täuschen. Sie sind bei der Panzertruppe und haben ihr Leben lang geübt, alles niederzuwalzen, was sich ihnen in den Weg stellt. Aber in ihrem Fall stimmt das Timing nicht, glaube ich. Nehmen wir mal an, Garber hätte das XII. Korps frühestens um null Uhr fünfzehn angerufen. Nehmen wir weiterhin an, das Korps hätte frühestens um halb eins im Hotel Jefferson angerufen. Green Valley liegt siebzig Autominuten von Washington entfernt, und Mrs. Kramer ist um zwei Uhr gestorben. Dann hätten sie maximal zwanzig Minuten Zeit gehabt, um auf die Meldung zu reagieren. Sie waren gerade vom Flughafen angekommen, also hatten sie kein Auto und hätten sich erst eines besorgen müssen. Und sie hatten bestimmt kein Brecheisen bei sich. Niemand reist für alle Fälle mit einem Brecheisen im Koffer. Und ich bezweifle, dass am Neujahrsmorgen nach null Uhr noch ein Baumarkt geöffnet hatte.«
»Also ist noch jemand anders auf der Suche?«
»Wir müssen diese Tagesordnung finden«, sagte ich. »Sonst kommen wir nicht weiter.«
Ich schickte Summer mit drei Aufträgen los. Sie sollte erstens eine Liste aller weiblichen Offiziere in Fort Bird erstellen, die Zugang zu einem eigenen Humvee hatten, zweitens diejenigen von ihnen auflisten, die Kramer aus Fort Irwin in Kalifornien kennen konnten, und drittens im Hotel Jefferson in Washington anrufen und sich Vassells und Coomers genaue Ankunfts- und Abreisezeit sowie Auskunft über die von ihnen geführten Telefongespräche geben lassen. Ich ging wieder in mein Dienstzimmer, legte Garbers Mitteilung ab, breitete den Zettel mit der Telefonnummer meines Bruders vor mir aus und wählte die angegebene Nummer. Er meldete sich nach dem ersten Klingeln.
»He, Joe«, sagte ich.
»Jack?«
»Was gibt’s?«
»Hab einen Anruf gekriegt.«
»Von wem?«
»Von Moms Arzt.«
»Weswegen?«
»Sie stirbt.«
5
Nach meinem Gespräch mit Joe rief ich Garbers
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