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08-Die Abschussliste

08-Die Abschussliste

Titel: 08-Die Abschussliste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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Dienststelle an. Er war nicht am Platz, deshalb hinterließ ich eine Nachricht, schilderte kurz meinen Reiseplan und teilte mit, dass ich drei Tage unterwegs wäre. Einen Grund dafür gab ich nicht an. Dann legte ich wieder auf und saß wie vor den Kopf geschlagen am Schreibtisch. Fünf Minuten später kam Summer herein. Sie brachte einen dicken Computerausdruck von der Fahrbereitschaft mit. Ich vermutete, dass sie ihre Humvee-Liste gleich hier, sozusagen vor meinen Augen, erstellen wollte.
    »Ich muss nach Paris«, sagte ich.
    »Paris, Texas?«, fragte sie. »Oder Paris, Kentucky, oder Paris, Tennessee?«
    »Paris, Frankreich«, antwortete ich.
    »Weshalb?«
    »Meine Mutter ist krank.«
    »Ihre Mutter lebt in Frankreich?«
    »Paris«, sagte ich.
    »Warum?«
    »Weil sie Französin ist.«
    »Ist’s schlimm?«
    »Französin zu sein?«
    »Nein, ihre Krankheit.«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Weiß ich nicht genau. Aber ich glaube schon.«
    »Das tut mir sehr Leid.«
    »Ich brauche einen Wagen«, sagte ich. »Ich muss sofort zum Dulles Airport.«

    »Ich bring Sie hin«, erklärte sie. »Ich fahre gern Auto.«
    Sie ließ die Ausdrucke auf meinem Schreibtisch liegen und zog los, um den Chevrolet zu holen, den wir zuletzt gehabt hatten. Ich ging in meine Unterkunft und packte von allem, was mein Kleiderschrank enthielt, je ein Stück in einen olivgrünen Seesack. Dann zog ich meinen Wintermantel an. Es war kalt, und ich rechnete nicht damit, dass es in Europa wärmer sein würde. Nicht Anfang Januar. Summer holte mich mit dem Wagen ab. Sie fuhr nicht schneller als dreißig, bis wir den Stützpunkt verlassen hatten. Dann schaltete sie den Nachbrenner ein und raste Richtung Norden. Anfangs schwieg sie. Sie dachte nach.
    »Wir sollten die Cops in Green Valley benachrichtigen«, meinte sie, »wenn wir glauben, dass Mrs. Kramer wegen des Aktenkoffers umgebracht wurde.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Das macht sie nicht wieder lebendig. Und wenn sie wegen des Aktenkoffers ermordet worden ist, können wir den Täter selbst ermitteln.«
    »Was soll ich tun, während Sie weg sind?«
    »Arbeiten Sie die Listen ab«, erwiderte ich. »Kontrollieren Sie auch das Wachbuch am Tor. Finden Sie die Frau, finden Sie den Aktenkoffer, verwahren Sie die Tagesordnung an einem sicheren Platz. Dann überprüfen Sie, wen Vassell und Coomer vom Hotel aus angerufen haben. Vielleicht haben sie einen Laufburschen losgeschickt.«
    »Halten Sie das für möglich?«
    »Alles ist möglich.«
    »Aber sie wussten nicht, wo Kramer sich aufhielt.«
    »Deshalb haben sie’s am falschen Ort versucht.«
    »Wen hätten sie losgeschickt?«
    »Jemanden, dem ihre Interessen sehr am Herzen liegen.«
    »Okay«, sagte sie.
    »Und stellen Sie fest, wer sie vorhin gefahren hat.«
    »Okay.«
    Während der restlichen Fahrt zum Dulles Airport schwiegen wir.

    Meinen Bruder Joe traf ich in der Schlange vor dem Ticketschalter der Air France. Er hatte zwei Plätze in der ersten Morgenmaschine für uns gebucht. Jetzt stand er an, um die Tickets zu bezahlen. Ich hatte ihn seit über drei Jahren nicht mehr gesehen. Zuletzt waren wir uns bei der Beerdigung unseres Vaters begegnet und seither unsere eigenen Wege gegangen.
    »Guten Morgen, kleiner Bruder«, begrüßte er mich.
    Er trug einen Mantel und einen Anzug mit Krawatte und sah darin ziemlich gut aus. Er war zwei Jahre älter als ich. Als Junge hatte ich ihn oft studiert und gedacht: So wirst du aussehen, wenn du erwachsen bist. Jetzt tat ich das unwillkürlich wieder. Aus einiger Entfernung hätte man uns verwechseln können. Standen wir nebeneinander, wurde deutlich, dass er ein paar Zentimeter größer und etwas schlanker war als ich. Am offenkundigsten war jedoch, dass er ein wenig älter war. Man hätte glauben können, wir hätten gemeinsam angefangen, aber er habe die Zeichen der Zeit früher erkannt als ich, und sie hätten ihn altern lassen und irgendwie zermürbt.
    »Wie geht’s dir, Joe?«, fragte ich.
    »Kann mich nicht beschweren.«
    »Viel zu tun?«
    »Unglaublich viel.«
    Ich nickte und schwieg. Tatsächlich wusste ich nicht so genau, womit er sein Geld verdiente. Er hatte es mir vermutlich mal erzählt. Schließlich war das kein Staatsgeheimnis. Es hatte irgendwas mit dem Finanzministerium zu tun. Aber jetzt wäre es mir peinlich gewesen, ihn danach zu fragen.
    »Du warst in Panama«, sagte er. »Unternehmen ›Gerechte Sache‹, stimmt’s?«
    »Unternehmen ›Einfach so‹«, antwortete ich. »So haben

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