08-Die Abschussliste
Dienststelle zurück. Ließ es gleich vor dem Eingang geparkt stehen. Die Sergeantin mit dem kleinen Sohn war fort. Ihre Stelle hatte der kleine schwarzhaarige Korporal eingenommen, der meiner Ansicht nach aus Louisiana stammte. Das Glasgefäß der Kaffeemaschine war kalt und leer. Auf meinem Schreibtisch lagen zwei Telefonnotizen. Auf dem ersten Zettel stand: Major Franz hat angerufen. Er bittet um Rückruf. Auf dem anderen las ich unter einer Telefonnummer: Detective Clark hat zurückgerufen. Ich rief erst Franz in Kalifornien an.
»Reacher?«, sagte er. »Ich habe mich nach der Tagesordnung für die Kommandeurstagung erkundigt.«
»Und?«
»Es hat keine gegeben. Das ist ihre Story, und sie bleiben dabei.«
»Aber?«
»Wir wissen beide, dass das Bockmist ist. Es gibt immer eine Tagesordnung.«
»Bist du sonst wie weitergekommen?«
»Eigentlich nicht«, antwortete er. »Aber ich kann beweisen, dass am dreißigsten Dezember abends ein Fax aus Deutschland eingegangen ist und am einunddreißigsten nachmittags ziemlich viele Fotokopien gemacht wurden. Und als am Neujahrstag die Nachricht von Kramers Tod bekannt wurde, sind Unterlagen geschreddert und verbrannt worden. Ich habe mit dem Mann gesprochen, der für den Verbrennungsofen zuständig ist. Ein Beutel voll Papierschnitzel, schätzungsweise sechzig Blatt Papier.«
»Wie sicher ist ihre Faxverbindung?«
»Wie sicher möchtest du sie haben?«
»Äußerst sicher. Alles ergibt nämlich nur einen Sinn, wenn die Tagesordnung wirklich geheim war. Wirklich streng geheim. Aber wäre sie überhaupt zu Papier gebracht worden, wenn sie so geheim gewesen wäre?«
»Diese Leute gehören zum XII. Korps, Reacher. Sie stehen seit vierzig Jahren an der Front. Bei denen ist alles geheim.«
»Wie viele Personen sollten an der Konferenz teilnehmen?«
»Ich habe mit der Kantine gesprochen. Für den Neujahrstag waren fünfzehn Lunchpakete bestellt.«
»Sechzig Seiten, fünfzehn Leute, das ergibt eine vierseitige Tagesordnung.«
»So sieht’s aus. Aber die ist in Rauch aufgegangen.«
»Nicht das Original, das aus Deutschland gefaxt wurde«, entgegnete ich.
»Das Original werden sie dort drüben verbrannt haben.«
»Nein, ich vermute, dass Kramer es bei sich hatte, als er gestorben ist.«
»Wo ist’s dann jetzt?«
»Das weiß keiner. Es ist weg.«
»Lohnt es sich, ihm nachzujagen?«
»Das weiß keiner«, wiederholte ich. »Außer dem Kerl, der sie verfasst hat, aber der ist tot. Und Vassell und Coomer. Sie müssen die Tagesordnung kennen. Vermutlich haben sie mitgeholfen, sie zu erstellen.«
»Vassell und Coomer sind nach Deutschland zurückgereist. Heute Morgen. Mit der ersten Maschine vom Dulles Airport aus. Hier im Stab wird darüber geredet.«
»Bist du diesem neuen Mann, Willard, schon mal begegnet?«, fragte ich ihn.
»Nein.«
»Geh ihm lieber aus dem Weg. Er ist ein Arschloch.«
»Danke für die Warnung. Was haben wir getan, um ihn zu verdienen?«
»Keine Ahnung«, antwortete ich. Wir beendeten unser Gespräch. Ich wählte die Nummer in Virginia, verlangte Detective Clark und wurde in eine Warteschleife geschickt. Dann hörte ich ein Klicken und Hintergrundgeräusche aus einem Bereitschaftsraum, bevor eine Stimme sich meldete.
»Clark«, sagte sie.
»Reacher«, sagte ich. »U.S. Army, drunten in Bird. Sie wollten mich sprechen?«
»Sie wollten mich sprechen, wenn ich mich recht erinnere«, erwiderte Clark, »und hören, welche Fortschritte wir gemacht haben. Aber es gibt keine. Wir stehen hier vor einer Wand. Tatsächlich sind wir auf der Suche nach Hilfe.«
»Ich kann leider nichts für Sie tun. Dies ist Ihr Fall.«
»Ich wollte, er wär’s nicht«, sagte er.
»Was haben Sie bisher?«
»So gut wie nichts. Der Täter scheint im Haus nichts angefasst zu haben. Natürlich hat er Handschuhe getragen. Der Boden war leicht gefroren. Wir konnten ein wenig Split von der Einfahrt aufsammeln, sind aber meilenweit von einem richtigen Schuhabdruck entfernt.«
»Die Nachbarn haben nichts gesehen?«
»Die meisten waren auf Partys oder betrunken. Ich habe meine Leute von Haus zu Haus gehen und die Bewohner befragen lassen, aber dabei ist nichts Verwertbares rausgekommen. Auf der Straße waren ein paar Autos unterwegs, aber das ist an Silvester ganz normal, weil Partygäste kommen und gehen.«
»Irgendwelche Reifenspuren in der Einfahrt?«
»Keine, mit denen was anzufangen ist.«
Ich sagte nichts.
»Mrs. Kramer ist mit einem Brecheisen erschlagen
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