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08-Die Abschussliste

08-Die Abschussliste

Titel: 08-Die Abschussliste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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handeln, in denen es
um Testflugzeuge oder gesunkene U-Boote ging. Der einzelne Hardcoverband war ein Erinnerungsbuch an eine Tournee der Rolling Stones. Nach der Rückenbeschriftung zu urteilen musste er ungefähr zehn Jahre alt sein.
    Ich hob die Matratze vom Federrahmen des Feldbettes hoch und sah darunter nach. Nichts. Ich kontrollierte den Spülkasten und warf einen Blick unter das Waschbecken. Wieder nichts. Dann nahm ich mir die Seekiste vor. Als ich den Deckel aufklappte, fiel mir als Erstes eine ordentlich zusammengelegte Lederjacke ins Auge. Darunter lagen zwei weiße Oberhemden mit Buttondownkragen und zwei Paar Jeans. Die Baumwollsachen sahen abgetragen und weich aus, die Lederjacke war weder billig noch teuer. Zusammen ergaben sie das typische Outfit eines Soldaten an einem Samstagabend. Aufs Klo gehen, sich rasieren und duschen, Zivilklamotten anziehen, zu jemandem ins Auto steigen, ein paar Bars besuchen, sich ein bisschen amüsieren.
    Unter den Jeans lag eine Geldbörse. Sie war klein und bestand aus braunem Leder fast im Farbton der Jacke. Sie enthielt dreiundvierzig Dollar in bar, die für ein paar Runden im Kameradenkreis reichten. Für den Fall, dass der Spaß ausuferte und in einem MP-Jeep oder einem zivilen Streifenwagen endete, steckten darin auch ein militärischer Dienstausweis und ein in North Carolina ausgestellter Führerschein sowie ein originalverpacktes Kondom.
    Hinter dem Klarsichtfenster entdeckte ich das Foto einer jüngeren Frau. Vielleicht eine Schwester oder Cousine, vielleicht eine Bekannte. Sicher nur zur Tarnung.
    Die Geldbörse lag auf einem Schuhkarton voller Fotos im Format zehn mal dreizehn Zentimeter. Alles Amateuraufnahmen von Soldaten in kleinen Gruppen. Auf vielen war Carbone zu sehen. Gruppen von Männern posierten mit um die Schultern gelegten Armen nebeneinander aufgereiht. Manche Fotos schienen bei sengender Sonne aufgenommen worden zu sein, und die mit bloßen Oberkörpern dastehenden Männer trugen beige Stoffhüte und lächelten mit zusammengekniffenen Augen in die
Kamera. Andere waren in Dschungeln gemacht worden. Wieder andere auf von Ruinen gesäumten, verschneiten Straßen. Kampfgefährten, die dienstfrei hatten, noch lebten und darüber glücklich waren.
    Sonst enthielt Carbones Zelle nichts. Nichts Bedeutsames, nichts Ungewöhnliches, nichts Erklärendes. Nichts, was Aufschluss über seinen Werdegang, seinen Charakter, seine Leidenschaften oder seine Interessen hätte geben können. Er hatte sein Leben im Geheimen gelebt, zugeknöpft wie seine Samstagabendhemden.
     
    Ich ging zu meinem Humvee zurück. Als ich um eine Ecke bog, stand ich plötzlich dem jungen Sergeanten mit dem Bart und der Sonnenbräune gegenüber. Er versperrte mir den Weg und dachte nicht daran, mir Platz zu machen.
    »Sie haben mich zum Narren gehalten«, sagte er.
    »Hab ich das?«
    »Wegen Carbone. Sie haben mich auflaufen lassen. Der Kompanieschreiber hat uns gerade ein interessantes Schriftstück gezeigt.«
    »Und?«
    »Und deshalb denken wir jetzt nach.«
    »Überanstrengen Sie sich nicht.«
    »Halten Sie das für witzig? Das Lachen wird Ihnen vergehen, wenn wir rauskriegen, dass Sie’s gewesen sind.«
    »Ich war’s nicht.«
    »Das sagen Sie.«
    Ich nickte. »Das sage ich. Gehen Sie mir jetzt aus dem Weg.«
    »Oder?«
    »Oder ich trete Sie in den Hintern.«
    Er trat einen Schritt näher an mich heran. »Glauben Sie, dass Sie mich in den Hintern treten könnten?«
    Ich wich nicht zurück. »Sie fragen sich, ob ich Carbone in den Hintern getreten habe. Und dabei war er als Soldat wahrscheinlich doppelt so gut wie Sie.«

    »Sie werden’s nicht mal kommen sehen«, sagte er.
    Ich schwieg.
    »Das dürfen Sie mir glauben.«
    Ich sah weg. Ich glaubte ihm. Beschloss die Delta Force, mich zu liquidieren, würde ich’s nicht mal kommen sehen. Das stand fest. Wochen, Monate oder gar Jahre später würde irgendwo in einer finsteren Gasse ein Schatten aus der Dunkelheit auftauchen, ein K-bar zwischen meine Rippen gleiten oder mein Genick mit einem lauten Knacken brechen. Und das würde mein Ende sein.
    »Sie haben eine Woche Zeit«, erklärte der Mann.
    »Um was zu tun?«
    »Uns zu beweisen, dass Sie’s nicht waren.«
    Ich schwieg.
    »Sie haben die Wahl«, sagte der Kerl. »Beweisen Sie’s uns, oder sorgen Sie dafür, dass Sie in diesen sieben Tagen noch alles tun, was Sie Ihr Leben lang tun wollten. Fangen Sie kein langes Buch mehr an.«

11
    Ich fuhr mit dem Humvee zu meiner

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