08 - Ehrenschuld
Auf dieser Ebene schien es
immer so zu sein, man erledigte zuerst die einfachen Jobs und hob sich die
wirklich schwierigen für zuletzt auf.
Die Aufgabe bestand jetzt eher darin, Krieg zu verhindern, als ihn zu
führen, aber letzteres würde Teil des ersteren sein.
Das Resultat der Kontrolle Ostsibiriens durch Japan und China wäre
eine neue - was? Achse? Das wahrscheinlich nicht. Sicherlich ein neuer
wirtschaftlicher Brennpunkt, ein Rivale für Amerika auf allen Ebenen der
Macht. Im ökonomischen Bereich würde es Japan und China einen riesigen
Vorsprung geben.
Das war an und für sich nichts Böses. Aber die Methoden waren es.
Früher einmal hatte die Welt nach Regeln gehandelt, die so einfach waren
wie die des Dschungels. Wenn man es zuerst hatte, gehörte es einem - aber
nur, wenn man stark genug war, es festzuhalten. Nicht besonders elegant,
auch nicht besonders fair nach modernen Maßstäben, aber die Regeln waren
anerkannt worden, weil die größeren Staaten ihren Bürgern im Austausch
für ihre Loyalität politische Stabilität geboten hatten, und das war meist der
erste Schritt bei der Entstehung einer Nation. Nach einer Weile war das
Bedürfnis nach Frieden und Sicherheit jedoch zu etwas anderem geworden
dem Wunsch, die Geschicke ihres Landes mitzubestimmen. Von 1789, als
Amerika seine Verfassung ratifizierte, bis 1989, als der Ostblock
auseinandergebrochen war, war etwas Neues ins kollektive Bewußtsein der
Menschheit gekommen. Es hatte viele Namen - Demokratie,
Menschenrechte, Selbstbestimmung -, aber es war im Grunde die
Erkenntnis, daß der menschliche Wille seine eigene Kraft hatte, und
meistens zum Guten.
Der japanische Plan versuchte diese Kraft zu verneinen. Aber die Zeit
der alten Regeln war vorbei, dachte Jack. Die Männer in diesem Raum
würden das verstehen müssen.
»Das wäre im großen und ganzen die Situation im Pazifik«, beendete er
seinen Bericht.
Der Kabinettssaal war vollbesetzt, abgesehen vom Platz des
Finanzministers, dessen Stellvertreter anwesend war. Um den annähernd
diamantenförmigen Tisch saßen die Oberhäupter der verschiedenen Zweige
der Exekutive. Hohe Vertreter von Kongreß und Militär saßen hinter ihnen. Als nächstes sollte der Verteidigungsminister sprechen. Statt jedoch zum
Rednerpult zu gehen, während Ryan auf seinen Platz zurückkehrte, klappte
er den Lederordner mit seinen Notizen auf und blickte kaum hoch. »Ich glaube nicht, daß wir es tun können«, begann der Minister und
löste mit diesen Worten einige Unruhe bei den Kabinettsmitgliedern aus. »Das Problem ist vor allem ein technisches. Wir haben nicht die Mittel,
um entscheidend ...«
»Einen Moment«, unterbrach ihn Ryan. »Ich möchte für alle hier ein
paar Punkte klarstellen, okay?« Es gab keine Einwände. Selbst der
Verteidigungsminister schien erleichtert zu sein, daß er nichts weiter sagen
mußte.
»Guam ist US-Gebiet seit fast einem Jahrhundert. Die Bewohner sind
US-Bürger. Japan besetzte die Insel 1941, und 1944 erkämpften wir sie
zurück. Dafür haben Menschen ihr Leben gegeben.«
»Wir glauben, wir können Guam durch Verhandlungen
zurückbekommen«, sagte Außenminister Hanson.
»Freut mich zu hören«, antwortete Ryan. »Und was ist mit dem Rest der
Marianen?«
»Meine Leute glauben, es ist unwahrscheinlich, daß wir sie mit
diplomatischen Mitteln zurückbekommen. Wir werden natürlich daran
arbeiten, aber wir ...«
»Aber was?« fragte Jack. Es kam keine Antwort. »Na gut, dann zu
einem anderen Punkt. Die Nördlichen Marianen waren nie rechtmäßiges
Eigentum Japans, auch wenn ihr Botschafter uns das erzählt hat. Sie waren
Mandatsgebiet des Völkerbunds und deshalb keine Kriegsbeute, als wir sie
1944 zusammen mit Guam besetzten. 1947 erklärten die Vereinten
Nationen sie zum Mandatsgebiet unter dem Schutz der Vereinigten Staaten.
1952 gab Japan offiziell alle Ansprüche auf den Besitz der Inseln auf. 1978
entschied das Volk der Marianen, eine Republik zu werden, politisch
vereinigt mit den USA, und wählte seinen ersten Gouverneur wir haben
lange genug gebraucht, um sie das tun zu lassen, aber sie haben es getan.
1986 entschied die UNO, wir hätten unsere Verantwortung gegenüber
diesen Menschen erfüllt, und im selben Jahr bekamen alle Bewohner die
amerikanische Staatsbürgerschaft. 1990 beendete der UN-Sicherheitsrat das
Mandat.
Ist das soweit klar? Die Bürger dieser Inseln sind US-Bürger mit
amerikanischen Pässen - nicht weil wir sie dazu gezwungen haben, sondern
weil sie es
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