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08 - Ehrenschuld

08 - Ehrenschuld

Titel: 08 - Ehrenschuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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Schmerzen; ihr Flugzeug war noch achthundert Fuß über dem Boden und eineinhalb Kilometer von der Landeschwelle entfernt. Beide waren hervorragend ausgebildete und fähige Männer. Die Augen immer noch vor Schmerz geschlossen, tastete der Pilot nach dem Bügel und versuchte, ihn unter Kontrolle zu bringen. Der Kopilot unternahm genau dasselbe, aber die Kontrollbewegungen der beiden Männer waren nicht identisch, und im nächsten Augenblick kämpften sie gegeneinander statt mit dem Flugzeug. Beide Männer verfügten über keinerlei optische Anhaltspunkte mehr, und die fürchterliche, momentane Orientierungslosigkeit verursachte bei beiden Männern Schwindelanfälle, die sich unterschiedlich auswirkten. Einer von beiden meinte, das Flugzeug schwenke in die eine Richtung, der andere versuchte mit dem Steuerknüppel in eine ganz andere Richtung zu korrigieren. Bei einer Höhe von nur noch achthundert Fuß hatten sie keine Zeit, darüber zu diskutieren, wer von ihnen recht hatte, und die Auseinandersetzung der beiden konnte nur so enden, daß der Stärkere den Steuerknüppel an sich reißen und mit seinen Bemühungen alle mit in den Tod reißen würde. Die E-767 rollte neunzig Grad nach rechts und drehte nach Norden in Richtung der leeren Fabrikgebäude ab; dabei sank sie rasch. Der Offizier im Kontrollturm schrie in das Funkgerät, aber die Piloten hörten seine Warnungen nicht einmal. In einem verzweifelten Versuch, seinen Vogel wieder sicher nach oben zu bekommen, tastete der Pilot nach dem Durchstarteknopf am Steuerknüppel. Das war seine letzte Tat. Er hatte kaum den Knopf ertastet, als seine Sinne ihm eine Sekunde zu früh mitteilten, daß sein Leben zu Ende war. Sein letzter Gedanke war, daß über seinem Land wieder eine Atombombe niedergegangen sein mußte.
    »Jesucristo«, flüsterte Chavez. Nur eine Sekunde, noch nicht einmal. Die Nase des Flugzeugs glühte vor dem Abendhimmel, als wäre sie getroffen worden; dann war es einfach nach Norden abgedreht wie ein sterbender Vogel. Er zwang sich, den Blick abzuwenden. Er wollte weder sehen noch wissen, wo die Maschine aufschlug. Nicht daß es etwas änderte. Die Feuersäule erleuchtete die ganze Gegend wie ein Blitzeinschlag. Für Ding war es wie ein Schlag in den Magen, als ihm klar wurde, was er getan hatte; er verspürte plötzlich das dringende Bedürfnis, sich zu übergeben.
    Kami fünf sah aus sechzehn Kilometer Entfernung diesen Übelkeit erregenden gelben Schimmer, der nur eines bedeuten konnte, auf dem Boden direkt rechts neben dem Flugfeld. Flieger sind disziplinierte Menschen. Pilot und Kopilot der nächsten E-767 spürten eine plötzliche Leere im Magen, ein Zusammenziehen der Muskeln. Sie fragten sich, welcher ihrer Staffelkollegen gerade abgeschmiert war, welche Familie ungebetene Besucher bekommen würde, wessen Gesicht sie nicht mehr sehen und wessen Stimme sie nicht mehr hören würden. Und sie quälten sich mit Selbstvorwürfen, weil sie den Funkverkehr nicht besser verfolgt hatten, als ob sie damit etwas hätten verhindern können. Instinktiv prüften beide Männer ihre Cockpitanzeigen auf Unregelmäßigkeiten. Motoren okay. Elektronik okay. Hydraulik okay. Was immer auch mit dem anderen Flugzeugen passiert sein mochte, bei ihnen war alles in Ordnung.
»Tower, Fünf, was ist passiert, over?«
     
»Fünf, Tower, drei ist gerade abgestürzt. Wir wissen nicht warum.
    Landebahn ist frei.«
»Fünf, Roger, setzen Anflug fort, Landebahn in Sicht.« Er nahm die
Hand vom Sendeknopf des Funkgeräts, bevor er noch etwas sagen konnte.
Die beiden Flieger sahen einander an. Kami drei. Gute Freunde. Tot. Es
wäre leichter zu akzeptieren gewesen, wenn sie bei einem feindlichen
Angriff umgekommen wären, nicht bei so etwas Banalem wie einem Absturz beim Landeanflug, was auch immer die Ursache gewesen sein mochte. Aber jetzt wandten sie sich erst einmal ihrer Arbeit zu. Sie hatten eine Aufgabe zu erfüllen und mußten, trotz ihres Kummers, die fünfundzwanzig Besatzungskollegen hinter ihnen sicher nach Hause bringen.
    »Soll ich es machen?« fragte John.
»Mein Job, Mann.« Ding prüfte erneut den Ladekondensator und
wischte sich das Gesicht ab. Er ballte die Faust, um das leichte Zittern
abzustellen, das er gleichermaßen erstaunt und erfreut bemerkt hatte. Die
weit auseinanderstehenden Landescheinwerfer sagten ihm, daß hier das
nächste Ziel im Anflug war. Er diente seinem Land und sie dem ihren; mehr
gab es dazu nicht zu sagen. Aber es wäre besser gewesen,

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