08 - Ehrenschuld
Pfeifen des Ladekondensators.
»Da ist sie«, sagte John leise, als er die Positionslichter der anfliegenden Maschine entdeckte. Er war von seiner Aufgabe genauso wenig begeistert wie sein Partner. Aber schließlich verlangte das ja auch niemand.
Die anfliegende E-767 hatte die Positionslichter eingeschaltet, während sie langsam aus zehntausend Fuß Höhe herabglitt, und fuhr jetzt das Hauptfahrwerk aus. Als nächstes gingen die Landescheinwerfer an. Acht Kilometer vom Flughafen entfernt, in zweitausend Fuß Höhe über dem Industriegebiet, das den Luftstützpunkt umgab, konnte der Pilot die Lichter der Landebahn erkennen und ermahnte sich nach dem langen, langweiligen Aufklärungsflug zur Aufmerksamkeit.
»Klappen fünfundzwanzig«, sagte er.
»Klappen fünfundzwanzig«, bestätigte der Kopilot. Er betätigte den Hebel zum Ausfahren der Landeklappen, wodurch die Tragflächen zusätzlichen Auftrieb bekamen und das Flugzeug trotz geringerer Geschwindigkeit stabil blieb.
»Kami drei im Anflug, Landebahn in Sicht«, teilte der Pilot über Funk dem Offizier im Kontrollturm mit, der ihn unnötigerweise bis zu diesem Punkt eingewiesen hatte. Der Kontrollturm antwortete entsprechend, und der Pilot verstärkte ganz leicht seinen Griff an den Kontrollhebeln; eigentlich dachte er die geringfügigen Korrekturbewegungen eher, als daß er sie ausführte; er paßte sich den Bodenturbulenzen an und hielt im Luftraum nach anderen Flugzeugen Ausschau, denn er wußte, daß die meisten Flugzeugunglücke bei der Landung passieren. Deshalb mußte die Crew dabei besonders wachsam sein.
»Ich hab' sie«, sagte Chavez; in seiner Stimme schwang keine Gefühlsregung mit, als er sein Gewissen zum Verstummen brachte. Sein Land befand sich im Krieg. Die Leute in dem Flugzeug trugen Uniformen und waren deshalb Freiwild. Das war alles. Es war einfach viel zu leicht. Und doch erinnerte er sich daran, daß es auch beim ersten Mal, als er jemanden tötete, schon so leicht gewesen war, einen Mord zu begehen. Mit einem Anflug von Scham erinnerte sich Chavez, daß er sich damals tatsächlich in Hochstimmung befunden hatte.
»Ich brauche ein heißes Bad und eine Massage.« Der Kopilot gestattete sich diese private Überlegung, während sein Blick prüfend über die drei Kilometer schweifte, die vor ihnen lagen. »Rechts alles frei. Landebahn frei.«
Der Pilot nickte und griff mit der rechten Hand nach dem Steuerknüppel, schob ihn leicht zurück, um das Flugzeug durch den erhöhten Luftwiderstand auf die programmierte Landegeschwindigkeit von hundertfünfundvierzig Knoten zu bringen. Sie war so hoch wegen der zusätzlichen Spritreserven, über die die Kami verfügte. Sie flogen immer randvoll.
»Zwei Kilometer, alles normal«, sagte der Kopilot.
»Jetzt«, flüsterte Chavez. Das Rohr der Lichtkanone lag auf seiner Schulter und zielte fast wie ein Gewehr oder, besser gesagt, eine Panzerfaust auf die Nase der anfliegenden Maschine. Dann legte sich sein Finger auf den Auslöser.
Der »Zauber«, den sie in Afrika verwendet hatten, war vom Prinzip her nur ein aufgemotztes Blitzlicht, aber dieser spezielle Blitz hatte einen Xenon-Lichtbogenstrahler, der drei Millionen Lux hinausschleuderte. Der teuerste Teil des Gerätes war der Reflektor, ein präzis hergestelltes Stück legierter Stahl, das den Strahl auf die Entfernung von eineinhalb Kilometern zu einem Durchmesser von dreizehn Metern bündelte. Bei der Helligkeit, die das Gerät auf diese Entfernung verbreitete, konnte man problemlos eine Zeitung lesen; wer jedoch direkt in die Lichtquelle blickte, wurde sogar bei großer Distanz geblendet. Der Strahler war als nichttödliche Waffe entworfen und eingesetzt worden und hatte einen UV-Filter, weil das ultraviolette Licht dauerhaften Schaden auf der menschlichen Netzhaut anrichten konnte. Der Gedanke huschte durch Chavez' Kopf, als er den Auslöser drückte. Nichttödlich. Was für ein Witz.
Die Intensität des blau-weißen Licht schien die Augen des Piloten zu verbrennen. Es war, als würde er direkt in die Sonne sehen, nur schlimmer. Vor Schmerz ließ er den Steuerknüppel los, hielt die Hände vor die Augen und schrie in das Sprechfunkgerät. Der Kopilot hatte nicht direkt in den Blitz hineingesehen, aber das menschliche Auge wird, besonders in der Dunkelheit, vom Licht angezogen, und sein Gehirn arbeitete nicht schnell genug, um ihn von dieser ganz normalen Reaktion zurückzuhalten. Beide Flugzeugführer wurden geblendet und hatten starke
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