08 Geweihte des Todes - Adrian Lara
Das ist Lucan“, sagte er und zeigte auf seinen hünenhaften Begleiter, der neben Brock auf der anderen Seite des Raumes stand. Gideon sah sie stirnrunzelnd über seine Brillengläser an. „Wie fühlen Sie sich?“
Sie starrte genauso finster zurück. „Als hätte mich ein Bus überfahren. Und anscheinend hat er mich auch von Alaska bis nach Boston mitgeschleift.“
„Es ging nicht anders“, warf Lucan ein, und in seiner ruhigen Stimme klang ein Befehlston mit. Das war keiner, der andere um Erlaubnis fragte, er war hier der Anführer, gar keine Frage. „Sie sind im Besitz von zu vielen Informationen und brauchten spezielle Behandlung und Beobachtung.“
Das klang alles andere als gut. „Wenn ich was brauche, dann ein Rückflugticket nach Alaska. Was immer dieses Monster mir angetan hat, ich habe es überlebt. Ich brauche keine Behandlung oder Beobachtung mehr, mir geht es hervorragend, und ich will nach Hause.“
„Nein“, konterte Lucan grimmig. „Es geht Ihnen nicht gut. Ganz und gar nicht, um genau zu sein.“
Obwohl sein Tonfall weder grausam noch bedrohlich gewesen war, durchfuhr sie ein eisiger Angststoß. Sie sah zu Alex und Brock hinüber – die beiden Menschen, die ihr erst vor wenigen Minuten versichert hatten, dass es ihr gut ging und sie in Sicherheit war. Die beiden Menschen, die tatsächlich geschafft hatten, ihr ein Gefühl von Sicherheit zu geben, nachdem sie aus dem Albtraum erwacht war, den sie immer noch auf ihrer Zunge schmecken konnte. Jetzt sagten sie beide kein Wort.
Verletzt wandte sie den Blick ab und fragte sich angstvoll, was dieses Schweigen wirklich zu bedeuten hatte. „Ich muss hier raus, ich will nach Hause.“
Als sie Anstalten machte, die Beine über den Bettrand zu schwingen und aufzustehen, war es nicht Lucan oder Brock und auch keiner der übrigen hünenhaften Männer, der sie daran hinderte, sondern Alex. Jennas beste Freundin kam und verstellte ihr den Weg, und ihr nüchterner Gesichtsausdruck war effektiver als die bedrohliche Ausstrahlung der vier Muskelprotze im Zimmer.
„Jen, du musst mir jetzt zuhören, uns allen hier. Es gibt da gewisse Dinge, die du verstehen musst … darüber, was zu Hause in Alaska passiert ist. Und es gibt da auch Dinge, die wir immer noch herausfinden müssen und auf die vielleicht nur du die Antwort weißt.“
Jenna schüttelte den Kopf. „Keine Ahnung, wovon du redest. Ich weiß nur, dass ich gefangen gehalten und angegriffen wurde – gebissen und ausgesaugt, verdammt – von etwas, das schlimmer war als ein Albtraum. Das Ding könnte immer noch da draußen in Harmony sein. Ich kann doch nicht tatenlos hier herumsitzen, während dieses Monster womöglich meinem Bruder oder anderen zu Hause dasselbe antut wie mir.“
„Das wird es nicht“, sagte Alex. „Die Kreatur, die dich angegriffen hat – der Älteste – ist tot. Er ist keine Gefahr mehr für Harmony, dafür haben Kade und die anderen schon gesorgt.“
Jenna spürte nur einen Anflug von Erleichterung, denn trotz der guten Nachrichten, dass ihr Angreifer tot war, nagte immer noch etwas Eisiges an ihrem Herzen. „Und Zach? Wo ist mein Bruder?“
Alex warf einen Seitenblick auf Kade und Brock, die beide näher ans Bett gekommen waren. Alex schüttelte fast unmerklich den Kopf, ihre braunen Augen unter ihrem lockigen dunkelblonden Haar blickten traurig. „Oh Jenna … es tut mir so leid.“
Sie nahm die Worte ihrer Freundin in sich auf, weigerte sich, ihre Bedeutung zu erfassen. Ihr Bruder, ihr letzter lebender Verwandter, war tot?
„Nein.“ Sie schluckte, wollte es nicht wahrhaben. Kummer stieg ihr die Kehle hinauf, als Alex tröstend den Arm um sie legte.
Während die Trauer sie überrollte wie eine Welle, schossen auch Erinnerungen an die Oberfläche: Alex’ Stimme, die sie von außerhalb ihres Blockhauses rief, wo die Kreatur über Jenna in der Dunkelheit lauerte. Zachs wütende, abgehackte Schreie, in denen eine tödliche Drohung mitschwang – aber an wen gerichtet? Damals war sie nicht sicher gewesen, und jetzt war sie nicht sicher, ob es überhaupt noch von Bedeutung war.
Draußen vor dem Blockhaus hatte ein Schuss gekracht, und keine Sekunde später war die Kreatur aufgesprungen, hatte die verwitterte hölzerne Haustür durchbrochen und war auf den verschneiten, bewaldeten Hof hinausgestürzt. Sie erinnerte sich an die heulenden Schreie ihres Bruders, an pures Entsetzen, gefolgt von einer schrecklichen Stille.
Und dann … nichts mehr.
Nur noch ein
Weitere Kostenlose Bücher