08 - Im Angesicht des Feindes
zu geben, die erste Seite neu aufzumachen.
»Was tun Sie da, Rodney?« fragte Luxford scharf.
»Ich hol' Sarah rein. Wir müssen sofort -« »Machen Sie die Tür zu.«
»Aber Den -«
»Ich sagte, machen Sie die Tür zu. Setzen Sie sich.«
Rodney sah rot. Es war dieser Ton, der ihm unter die Haut ging, diese gottverdammte Sicherheit, mit der Luxford annahm, daß jeder seine Befehle widerspruchslos ausgeführt werden würde.
»Wir haben eine erstklassige Story«, sagte er, sich zusammenreißend. »Gibt es irgendeinen Grund, sie nicht zu bringen?«
Luxford sagte zu Corsico: »Ist das alles bestätigt?«
»Bestätigt?« rief Rodney. »Den, das war die Haushälterin, mit der er gesprochen hat! Wer sollte denn besser wissen als sie, daß das Kind entführt worden ist und niemand die Polizei alarmiert hat?«
Luxford wiederholte: »Ist es bestätigt?«
»Den!« sagte Rodney noch einmal beschwörend und wußte schon, daß Luxford die Story abwürgen würde, wenn Corsico nicht clever genug gewesen war, sich nach allen Seiten hin abzusichern.
Und Corsico enttäuschte ihn nicht. Er sagte: »Ich habe auf allen drei Revieren, die zum Bezirk Marylebone gehören, mit jemandem gesprochen - in der Albany Street, der Greenberry Street und der Wigmore Street. Nirgends liegt eine Vermißtenmeldung für das Kind vor.«
»Das ist Dynamit«, hauchte Rodney. Am liebsten wäre er in Triumphgeheul ausgebrochen, aber er beherrschte sich.
Corsico fuhr fort: »Mir war das total unverständlich. Wo gibt's denn Eltern, die nicht sofort zur Polizei laufen, wenn ihr Kind plötzlich verschwunden ist?« Er kippte seinen Stuhl zurück und beantwortete seine Frage selbst.
»Und dann hab' ich mir gedacht, daß Eltern höchstens dann so reagieren, wenn sie ihr Kind loshaben wollen.«
Luxfords Gesicht blieb völlig ausdruckslos. Rodney pfiff wieder leise durch die Zähne.
»Als ich so weit war«, fuhr Corsico fort, »hab' ich mir gesagt, daß es sich vielleicht lohnt, wenn ich weiterstochere. Und das hab' ich getan.«
»Und?« fragte Rodney, der die Story schon Form annehmen sah.
»Und ich habe herausgefunden, daß der Ehemann der Bowen - ein gewisser Stone, Alexander Stone - überhaupt nicht der Vater des Kindes ist.«
»Na, das ist nun wirklich keine Neuigkeit«, bemerkte Luxford. »Jeder, der sich für Politik interessiert, hätte Ihnen das sagen können, Mitchell.«
»Ach ja? Also, mir war's neu. Mich hat das überrascht. Und wenn ich auf eine überraschende Wendung stoße, hake ich gern nach. Ich bin sofort zum St. Caterine's House gefahren und hab' die Geburtsurkunde rausgesucht, um festzustellen, wer der richtige Vater ist. Weil ich dachte, daß wir ihn früher oder später interviewen wollen, oder? Der trauernde Vater und so?«
Er hob seine Jeansjacke hoch und schob seine Hand erst in die eine, dann in die andere Tasche. Schließlich brachte er ein gefaltetes Blatt Papier zum Vorschein, das er ausbreitete und auf der Tischplatte glättete, ehe er es Luxford übergab.
Rodney wartete mit angehaltenem Atem. Luxford überflog den Text auf dem Papier, hob den Kopf und sagte: »Und?«
»Und was?« fragte Rodney.
»Sie hat den Namen des Kindsvaters nicht angegeben«, erklärte Corsico.
»Das sehe ich selbst«, versetzte Luxford. »Aber da sie ihn auch niemals öffentlich genannt hat, ist das nicht gerade eine überwältigende Überraschung.«
»Okay, eine Überraschung vielleicht nicht. Aber ein möglicher Ansatzpunkt und, was wichtiger ist, ganz bestimmt eine Sache, aus der sich was machen läßt.«
Luxford reichte Corsico die Kopie der Geburtsurkunde zurück. Dabei betrachtete er den jungen Reporter, als hätte er eine unbekannte Lebensform vor sich. »Worauf genau wollen Sie hinaus?«
»Kein Name in der Geburtsurkunde. Keine Meldung bei der Polizei über das Verschwinden des Kindes. Das paßt zusammen. Da werden Informationen zurückgehalten, Mr. Luxford. Das ist das beherrschende Thema, das Leitmotiv bei der Geburt dieses armen Kindes, das Leitmotiv bei seinem schrecklichen Tod. Darum herum können wir zunächst die Story aufbauen. Wenn das geschehen ist - und dazu würde sich vielleicht ein Leitartikel über die teuflische Natur von Familiengeheimnissen nicht schlecht machen -, dann, das können Sie mir glauben, könnte hinterher sogar ein Vollidiot die finsteren Geheimnisse der Abgeordneten Eve Bowen für die Source ausgraben. Wenn nämlich Larnsey und der Strichjunge ein Maßstab dafür sind, was wir von der
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