08 - Im Angesicht des Feindes
eine Verbindung gibt, nicht wahr? Das Kind, die Geburtsurkunde und so weiter.«
Corsico straffte die Schultern und richtete sich gerade auf. Hätte er eine Krawatte getragen, so hätte er wahrscheinlich ihren Knoten gerichtet. »Ja«, sagte er. »Die Verbindung gibt's bestimmt.«
»Also! Dann spüren Sie sie auf. Kommen Sie damit zu mir.«
»Und dann? Luxford -«
»Vergessen Sie Luxford. Bleiben Sie an der Sache dran. Den Rest erledige ich.«
Corsico warf einen Blick auf die Tür zum Büro des Chefredakteurs. »Es ist eine verdammt gute Story«, sagte er, aber zum erstenmal schwang Unbehagen in seiner Stimme mit.
Rodney nahm ihn bei der Schulter und schüttelte ihn. »Genau«, sagte er. »Gehen Sie ihr nach. Schreiben Sie sie. Geben Sie sie mir.«
»Und dann?«
»Ich weiß schon, was wir mit ihr tun werden, Mitch.«
Dennis Luxford schaltete den Monitor seines Computers ein. Er ließ sich in seinen Sessel fallen. Die Zeichen auf dem Monitor leuchteten auf, aber sein Blick glitt darüber hinweg. Er hatte das Gerät nur eingeschaltet, um Beschäftigung vorzutäuschen. Er konnte sich ihm zuwenden und begieriges Interesse an dem Buchstabensalat heucheln, falls plötzlich jemand ins Büro kommen sollte, der erwartete, daß der Chefredakteur der Source die Entwicklung einer Story überwachte, der in diesem Augenblick zweifellos jeder Reporter in London nachlief. Mitch Corsico war nur einer von ihnen.
Luxford wußte genau, wie unwahrscheinlich es war, daß sich Mitch Corsico und Rodney Aronson von seiner Demonstration journalistischer Empörung hatten überzeugen lassen. In all den Jahren, in denen er nun als Chefredakteur tätig war, sei es bei der Source oder beim Globe, hatte er nicht einmal eine Story blockiert, die so viel schmutzigen Staub aufzuwirbeln versprach wie diese Geschichte über die Abgeordnete Eve Bowen, die es unterlassen hatte, der zuständigen Polizeidienststelle die Entführung ihrer Tochter zu melden. Und dabei war es auch noch eine Geschichte, die den Tories schaden würde! Er hätte begeistert sein müssen über die Vielfalt erfreulicher Möglichkeiten, die sie bot. Er hätte ganz wild darauf sein müssen, die Enthüllung, daß Evelyn es versäumt hatte, die Polizei zu alarmieren, zu einer scharfen und wortgewaltigen Anklage gegen die ganze Konservative Partei auszuschlachten. Da stehen sie und schwingen große Reden über die Rückbesinnung auf britische Grundwerte, zu denen doch, so sollte man meinen, auch die gute britische Familie gehört. Und wenn dann die Familie auf gemeinste Art, nämlich durch die Entführung eines Kindes, bedroht wird, rührt eine bekannte konservative Abgeordnete und Angehörige der Regierung, wie wir aus zuverlässiger Quelle erfahren, keinen Finger, um wenigstens die zuständigen Behören einzuschalten und nach diesem Kind fahnden zu lassen.
Hier war eine Gelegenheit, magere Fakten zu einer Story aufzubauschen, die die hohen Prinzipien der Tories erneut als den faulen Zauber entlarven würde, die sie in Wirklichkeit waren. Und er hatte diese Gelegenheit nicht nur nicht beim Schopf gepackt. Er hatte sein Bestes getan, sie zunichte zu machen.
Und er hatte damit höchstens etwas Zeit gewonnen, das war ihm bewußt. Die Tatsache, daß Corsico so schnell auf die Idee gekommen war, sich die Geburtsurkunde zu beschaffen - daß er einen wohlüberlegten Plan hatte, um Evelyns Vergangenheit ans Licht zu bringen -, sagte Luxford klar und deutlich, daß es unvernünftig war, jetzt, nach Charlottes Tod, noch zu erwarten, daß das Geheimnis ihrer Geburt gewahrt bleiben würde. Mitchell Corsico besaß den Unternehmungsgeist, an dem er - Luxford - einmal seine größte Freude gehabt hätte. Der Instinkt des Jungen, der Wahrheit auf die Schliche zu kommen, war erstaunlich, und sein Talent, die Leute dazu zu bringen, mit dieser Wahrheit herauszurücken, war meisterlich. Luxford konnte ihm Steine in den Weg legen, indem er ihm Beschränkungen aufzwang, mit rein hypothetischen Vermutungen über den Innenminister und Scotland Yard argumentierte und von dem Jungen verlangte, jede einzelne zu überprüfen. Aber er konnte ihn nicht ewig auf seinem Weg aufhalten, es sei denn, er setzte ihn an die Luft. Was Corsico lediglich dazu veranlassen würde, seine Aufzeichnungen und seinen Riecher der Konkurrenz zur Verfügung zu stellen, höchstwahrscheinlich dem Globe. Und beim Globe würde man nicht Luxfords Gründe haben, eine Story abzuwürgen, die die schmutzige Wahrheit zu enthüllen
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