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08 - Im Angesicht des Feindes

08 - Im Angesicht des Feindes

Titel: 08 - Im Angesicht des Feindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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bewerkstelligen?« fragte Lynley.
    »Indem sie nach Mitteln und Wegen sucht, um die Macht der nordirischen Polizei zu verstärken und die Zahl der nach Ulster entsandten Truppen zu erhöhen - das alles klammheimlich, wohlgemerkt -, während sie öffentlich ihr unerschütterliches Vertrauen in den Verhandlungsprozeß bekräftigt.«
    »Das wäre aber eine riskante Sache«, meinte Lynley.
    »Das kann man wohl sagen.« Harvie berichtete weiter, daß Eve Bowen außerdem den erhöhten Einsatz von verdeckten Polizeiermittlern in Kilburn befürwortete. Deren Aufgabe sollte es sein, Londoner Verbindungsleute abtrünniger Einzelgänger innerhalb der IRA, die Waffen, Sprengstoff und Guerillas nach England einschmuggeln wollten für den Fall, daß bei den Friedensgesprächen nicht das für sie herausspringen sollte, was sie sich erhofften, zu identifizieren und zu überwachen.
    »Das klingt ja, als glaubte sie gar nicht daran, daß sich eine Lösung finden läßt«, sagte Lynley.
    »Richtig. Ihre Position läßt sich kurz folgendermaßen charakterisieren: Erstens vertritt sie, wie ich schon sagte, den Standpunkt, daß die Regierung auf den Moment vorbereitet sein muß, wo die Gespräche Schiffbruch erleiden. Und zweitens meint sie, da die sechs Countys sich in freier Abstimmung dafür entschieden haben, dem Britischen Empire anzugehören, verdienten sie den Schutz des Britischen Empire bis zum bitteren Ende. Das ist eine durchaus populäre Überzeugung bei Leuten, die gern glauben möchten, daß es tatsächlich noch ein Britisches Empire gibt.«
    »Sie stimmen mit ihren Ansichten nicht überein.«
    »Ich bin Realist, Inspector. In zwei Jahrzehnten hat uns die IRA recht deutlich gezeigt, daß sie nicht vom Erdboden verschwinden wird, nur weil wir ihre Leute, ohne ihnen Rechtsbeistand zu gewähren, einlochen, wann immer sich uns die Chance dazu bietet. Es sind schließlich Iren. Die vermehren sich ständig. Stecken Sie einen ins Gefängnis, und draußen betreiben zehn weitere unter dem Bildnis des Papstes die Fortpflanzung. Nein, der einzig vernünftige Weg, diesem Konflikt ein Ende zu machen, ist, auf dem Verhandlungsweg eine Regelung zu erreichen.«
    »Aber das ist nicht in Eve Bowens Sinn.«
    »Lieber Tod als Ehrlosigkeit. Trotz allem, was sie in der Öffentlichkeit äußert, steht Eves Überzeugung fest: Wo werden wir in zehn Jahren stehen, wenn wir jetzt mit Terroristen verhandeln?« Er sah auf seine Uhr und trank den Rest seines Mineralwassers. Dann erhob er sich. »Das ist wirklich nicht typisch für diese Leute, das Kind eines Politikers zu entführen und zu töten. Und ich glaube nicht, daß so etwas - so entsetzlich es für Eve sein muß - sie dazu bringen könnte, von ihrem Posten zurückzutreten. Es sei denn, da spielt noch etwas mit, von dem ich nichts weiß ...?«
    Lynley sagte nichts.
    Harvie knöpfte sein Jackett zu und richtete seine Manschetten. »Aber«, sagte er, »wenn Sie jemanden suchen, der von ihrem Rücktritt profitieren würde, dann sollten Sie auf jeden Fall die IRA und ihre Splittergruppen beachten. Die können überall sein. Niemand versteht es besser, in einer feindseligen Umgebung unterzutauchen, als ein Ire, der für eine Sache kämpft.«

20
    Alexander Stone bemerkte Mrs. Maguire aus dem Augenwinkel. Er stand da und starrte in den Kleiderschrank in Charlottes Zimmer, als die Haushälterin an die Tür kam. In der einen Hand trug sie einen Plastikeimer, in der anderen hielt sie mehrere schlaffe Lappen. Seit zwei Stunden putzte sie die Fenster im Haus und sprach dabei unter Tränen lautlos ein Gebet nach dem anderen.
    »Wenn ich nicht störe, Mr. Stone.« Ihr Kinn zitterte, als sie sich in dem Zimmer umsah, in dem Charlottes Sachen noch so geordnet waren, wie sie sie vor fast einer Woche zurückgelassen hatte.
    »Nein, Sie stören nicht, Mrs. Maguire«, sagte Alex heiser.
    »Machen Sie ruhig weiter. Es ist schon in Ordnung.« Er griff in den Schrank und zog ein Kleid heraus, roter Samt mit einem weißen Spitzenkragen und passenden Aufschlägen an den Ärmeln. Charlie hatte es Weihnachten getragen.
    Mrs. Maguire schlurfte ins Zimmer. Das Wasser in dem Eimer blubberte wie der Magen eines Trinkers. Wie sein eigener Magen, obwohl es diesmal nicht der Alkohol war, der ihm zu schaffen machte.
    Er griff nach einem karierten Faltenrock. Hinter ihm zog Mrs. Maguire die Vorhänge auf und trug Charlies Plüschtiere von der Fensterbank zum Bett. Er schloß die Augen bei dem Gedanken an das Bett, auf dem er

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