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08 - Im Angesicht des Feindes

08 - Im Angesicht des Feindes

Titel: 08 - Im Angesicht des Feindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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gestern nacht mit seiner Frau gevögelt hatte, sie wie ein Besessener zum Orgasmus geritten hatte, als wäre nichts geschehen, als hätte sich ihr Leben nicht für immer verändert. Was hatte er sich nur dabei gedacht?
    »Mr. Stone?« Mrs. Maguire hatte einen ihrer Lappen in den Eimer getaucht. Sie hatte ihn ausgedrückt und hielt ihn jetzt, zusammengedreht wie einen dicken Strick, in ihren roten Händen. »Ich möchte Ihnen nicht noch mehr Kummer machen. Aber ich weiß, daß die Polizei vor einer Stunde angerufen hat. Ich hab's nicht übers Herz gebracht, Mrs. Bowen in ihrem Schmerz danach zu fragen, darum wollte ich wissen, ob Sie's mir vielleicht sagen können, wenn es nicht zu schwer für Sie ist ...« Ihre Augen wurden von neuem feucht.
    »Was denn?« Sein Ton klang brüsk, obwohl das nicht seine Absicht gewesen war. Es war nur so, daß er das Mitleid anderer jetzt überhaupt nicht ertragen konnte.
    »Können Sie mir vielleicht sagen, wie es mit Charlie war? Ich hab' nur die Zeitungen gelesen, wissen Sie, und Mrs. Bowen wollt' ich nicht danach fragen. Das ist bestimmt keine Sensationsgier, Mr. Stone. Ich kann nur mehr von Herzen für sie beten, wenn ich weiß, wie es mit ihr war.«
    Wie es mit Charlie war, dachte Alex. Wie sie immer diesen flinken Hüpfer an seiner Seite gemacht hatte, um beim Spazierengehen mit ihm Schritt halten zu können; wie er ihr gezeigt hatte, wie man Hühnchen in Limettensoße kochte, das erste Gericht, das er selbst gelernt hatte, wie er mit ihr in die Igelklinik marschiert war und zugesehen hatte, wie sie entzückt - die kleinen Fäuste auf die schmale kleine Brust gedrückt - zwischen den Käfigen herumgewandert war. So war es mit Charlie, dachte er. Aber er wußte, was die Haushälterin von ihm wissen wollte. Nicht, wie das Leben mit Charlie gewesen war.
    »Sie ist ertrunken.«
    »Da, in dem Kanal, den sie im Fernsehen gezeigt haben?«
    »Sie wissen nicht, wo. Die Kriminalpolizei von Wiltshire hat gesagt, sie sei zuerst betäubt worden. Mit einem Beruhigungsmittel. Und dann ist sie ertränkt worden.«
    »O mein Gott! Heiliger Herr Jesus!« Weinend wandte sich Mrs. Maguire zu den Fenstern. Sie wischte mit dem feuchten Lappen über eine der Scheiben und sagte immer wieder:
    »Heilige Mutter Gottes.« Alex hörte, wie sie nach Luft schnappte. Dann nahm sie einen trockenen Lappen und rieb die nasse Scheibe ab. Mit besonderer Sorgfalt wischte sie die Ecken aus, wo der Schmutz sich zu sammeln pflegte und am leichtesten übersehen wurde. Aber sie schniefte dabei, und Alex wußte, daß sie wieder zu weinen begonnen hatte.
    »Mrs. Maguire«, sagte er, »Sie brauchen nicht jeden Tag herzukommen.«
    Sie fuhr herum. Mit erschrockenem Gesicht sagte sie: »Sie meinen doch nicht, daß ich überhaupt nicht mehr kommen soll?«
    »Aber nein. Ich meinte nur, wenn Sie ein paar Tage freihaben wollen ...«
    »Nein«, sagte sie entschieden. »Ich will keine freien Tage.«
    Sie wandte sich wieder den Fenstern zu, weichte ihren Lappen ein, um die zweite Scheibe zu putzen. Sie wusch sie so gründlich wie die erste ab, ehe sie zaghaft und noch leiser als zuvor sagte: »Sie ist doch nicht ... Mr. Stone, bitte verzeihen Sie, aber Charlie ist doch nicht belästigt worden, oder? Sie ist doch nicht ... Vor ihrem Tod hat er sie doch nicht mißbraucht, oder?«
    »Nein«, antwortete Alex. »Dafür gibt es keinerlei Anzeichen.«
    »Gott sei Dank«, sagte Mrs. Maguire.
    Alex hätte gern gefragt, warum sie einem Gott dankbar war, der es zugelassen hatte, daß Charlotte das Leben genommen wurde. Was für einen Sinn hatte es, ihr den Schrecken und den Schmerz einer Vergewaltigung oder anderen Arten des Mißbrauchs zu ersparen, wenn sie doch am Ende tot, weggeworfen wie eine enttäuschte Hoffnung, im Kennet &Avon-Kanal trieb? Aber er sagte nichts, sondern wandte sich wieder Charlottes Kleiderschrank zu, um den Auftrag zu erfüllen, den Eve ihm gegeben hatte.
    »Sie geben die Leiche jetzt frei«, hatte sie zu ihm gesagt. »Wir müssen etwas ins Bestattungsinstitut bringen, was man ihr anziehen kann. Würdest du das für mich erledigen, Alex? Ich glaube, ich könnte es jetzt noch nicht ertragen, ihre Sachen durchzusehen. Tust du mir den Gefallen? Bitte?«
    Sie hatte mit einem Handtuch um die Schultern im Bad vor dem Waschbecken gestanden und sich die Haare gefärbt. Mit dem Stiel eines Kammes zog sie schnurgerade Scheitel durch ihr Haar und trug die Farbe aus einer Flasche auf ihre Kopfhaut auf. Sie hatte sogar ein kleines

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