08 - Tod Auf Dem Pilgerschiff
Wölkchen. Am Osthorizont tauchte sogar das blasse Rund der Sonne auf. Es war noch kein richtiger Morgen, aber er barg die Andeutung, daß der Tag besser werden könnte.
Zu ihrer Überraschung sah sie Murchad über das Hauptdeck auf sie zu kommen. Nach zwei Tagen mit schwerem Sturm, an denen er die meiste Zeit am Steuerruder gestanden hatte, machte er einen völlig erschöpften Eindruck.
»Bist du unversehrt, Lady?« fragte er. »Wenbrit hat mir erzählt, was passiert ist, und ich habe Gurvan beauftragt, dich zu bewachen, für den Fall, daß du noch einmal angegriffen wirst.«
»Mir ging’s schon mal besser«, gestand Fidelma. Dann erblickte sie Wenbrit, der auf dem Deck beschäftigt war. »Wie geht es Mäuseherr?«
Murchad lächelte.
»Er wird vielleicht ein bißchen hinken, aber Mäuse wird er noch jagen können. Wenbrit hat die Wunde genäht, und er wird es wohl gut überstehen. Du hast nicht gesehen, wer das Messer nach dir warf?«
»Dazu war es zu dunkel.« Sie wechselte das Thema. »Haben wir den Sturm hinter uns?«
»Jedenfalls das Schlimmste, meine ich«, antwortete er. »Der Wind hat auf Süd gedreht, und das macht es uns leichter, das Großsegel wieder zu setzen und unseren ursprünglichen Kurs zu halten. Wenn diese Fahrt erst einmal zu Ende ist, werde ich froh sein. Ich freue mich schon darauf, in den Armen Aoifes zu liegen.«
»Aoife?«
»Meine Frau heißt Aoife«, lächelte Murchad. »Sogar Seeleute haben Frauen.«
Plötzlich kamen Fidelma Zeilen aus einem alten Lied in den Sinn.
»Du liebtest uns einst, deine Liebe versank
Im Abgrund des Hasses. Von Bitterkeit krank,
Warfst weg du die Liebe, das sanfte Gefühl,
Und nun ist die Rache dein einziges Ziel!«
Murchad sah sie fragend an.
»Ich dachte gerade an die eifersüchtige Gier von Aoife, der Frau des Meergottes Lir, und wie sie alle vernichtete, die ihn liebten.«
Der Kapitän schnaufte geringschätzig.
»Meine Aoife ist eine wunderbare Frau«, erklärte er abweisend.
Fidelma lächelte rasch.
»Es tut mir leid. Es war lediglich der Name, der mich auf einen Gedanken brachte. Ich wollte keineswegs etwas gegen deine Frau sagen – aber ihr Name hat in mir eine Erinnerung wachgerufen.«
Wie lautete der Bibelvers, den Muirgel zitiert hatte, als sie Guss sagte, sie wüßte, warum sie das nächste Opfer werden könnte?
»… Eifersucht fest wie die Hölle.
Ihre Glut ist feurig
Und eine Flamme des Herrn.«
Sie blickte hinaus auf die See. Sie trug immer noch Schaumkämme, ging aber nicht mehr so hoch, und die großen Wellen wurden kleiner und weniger häufig. Endlich paßte alles zusammen! Sie lächelte zufrieden und wandte sich dem müden Murchad zu.
»Entschuldigung, Kapitän«, sagte sie. »Ich war mit den Gedanken woanders.«
Erst jetzt bemerkte Fidelma die Schäden, die der Sturm auf dem Schiff angerichtet hatte. Auf dem Deck lagen zersplitterte Rahen herum, das Wasserfaß war zu Bruch gegangen, und Taue und Takel hingen wirr durcheinander. Matrosen waren anscheinend vor Erschöpfung umgefallen, wo sie gerade standen.
»Ist jemand verletzt?« fragte Fidelma beim Anblick dieser Trümmer.
»Ein paar von meinen Leuten haben Kratzer abbekommen«, gab Murchad zu.
»Und die anderen Passagiere?«
Murchad schüttelte den Kopf.
»Denen wurde kein Haar gekrümmt, Lady – diesmal. «
Fidelma erschien es wie ein Wunder, daß das kleine Schiff zwei Tage lang von der wilden See derartig umhergeschleudert worden war und dennoch niemand verletzt wurde.
»Morgen oder übermorgen werden wir die iberische Küste in Sicht bekommen, Lady«, sagte er ruhig. »Und wenn ich gut navigiert habe, sind wir bald danach im Hafen. Von dort ist es nicht mehr weit über Land zum heiligen Schrein.«
»Ich werde froh sein, wenn ich der Enge deines Schiffes entronnen bin, Murchad«, gestand Fidelma.
Der Kapitän warf ihr einen trüben Blick zu.
»Was ich damit meinte, Lady, ist etwas anderes: Sobald wir den Hafen erreichen, haben wir keine Gelegenheit mehr, den Mörder von Muirgel oder Toca Nia vor Gericht zu bringen. Das wäre sehr schlecht. Die Geschichte würde dieses Schiff verfolgen wie ein Gespenst, sie würde wie ein Fluch auf ihm liegen. Meine Matrosen nennen diese Fahrt schon die Reise der Verdammten.«
»Das Rätsel wird gelöst, Murchad«, versicherte ihm Fidelma zuversichtlich. »Der Name deiner lieben Frau hat meine Überlegungen zum Abschluß gebracht, oder vielmehr, er hat mir einige Dinge deutlich werden lassen.«
Er
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