08 - Tod Auf Dem Pilgerschiff
erstenmal seit Tagen erfüllte sie Freude, weil sie endlich einen greifbaren Beweis gefunden hatte.
»Was sagt er dir?«
»Seine Größe enthüllt mir viel über die Person, die Toca Nia umbrachte. Und ich sehe allmählich einen Zusammenhang. Vielleicht gibt es gar nicht so viele Zufälle, wie wir denken. Die Person, die Toca Nia tötete, ist dieselbe, die Schwester Canair in Ardmore umbrachte und Schwester Muirgel erstach. Vielleicht …« Fidelma verstummte und dachte nach.
»Ich wäre vorsichtig, Lady«, warf Murchad besorgt ein. »Wenn diese Person schon einmal versucht hat, dich zu töten, kann sie es wieder versuchen. Du stellst offensichtlich eine Bedrohung für sie dar. Vielleicht bist du nahe daran, sie zu entdecken.«
»Wir alle müssen gut aufpassen«, meinte Fidelma. »Aber diese Person tötet im geheimen, dessen bin ich sicher. Und eins weiß ich noch mit Bestimmtheit.«
»Nämlich?«
»Unser Mörder ist eine von drei Personen auf diesem Schiff, und ich glaube, er ist irre. Wir müssen wirklich aufpassen.«
Am Abend änderte sich der Wind erneut. Nachdem das wie üblich von Wenbrit servierte Abendessen in leicht gedrückter Stimmung eingenommen worden war, ging Fidelma an Deck und gesellte sich zu Murchad und Gurvan, die am Steuerruder standen.
»Ich fürchte, wir kriegen noch einmal Sturm, Lady«, begrüßte sie Murchad trübe. »Auf dieser Fahrt haben wir mehr als genug Pech. Hätte das ruhige Wetter angehalten, wären wir schon vor zwei Tagen wieder aus dem iberischen Hafen ausgelaufen. Jetzt müssen wir abwarten, wohin uns der Sturm treibt.«
Fidelma blickte zum Himmel. Die Anzeichen für einen Sturm schienen nicht so bedrohlich wie in der ersten Nacht. Die Wolken waren dunkel, aber sie jagten nicht so schnell über den Himmel wie damals.
»Wie lange dauert es noch, bis er uns erfaßt?« fragte sie.
»Noch vor Mitternacht ist er hier«, antwortete Murchad.
Fidelma merkte, daß das Schiff mit schäumender Bugwelle geradezu durch die Wogen schnitt. Alles wirkte so ruhig und friedlich.
Gegen Mitternacht konnte Fidelma kaum glauben, wie plötzlich sich das Wetter geändert hatte. Die See ging hoch, und der Wind wechselte so oft die Richtung, daß ihr fast schwindelte. Fidelma hatte an Deck gesessen und alle Fakten und Ereignisse in Gedanken geordnet und analysiert. Nun stand sie auf, als das Deck unter ihr zu schaukeln begann. Gurvan beaufsichtigte die Matrosen, die an der Takelage arbeiteten.
Er kam zu ihr.
»Am sichersten bist du in deiner Kajüte, Lady, und vergiß nicht …«
»Alle losen Gegenstände festzumachen«, beendete Fidelma seinen Satz. Das hatte sie bei dem vorigen Sturm gelernt.
»Du wirst eine richtige Seefahrerin, Lady«, lächelte Gurvan anerkennend.
»Wird es so schlimm wie letztes Mal?« fragte sie.
Gurvan antwortete mit einer unverbindlichen Geste.
»Es sieht nicht sehr gut aus. Wir müssen gegen den Wind kreuzen.«
»Wäre es nicht leichter, zu wenden und mit dem Wind zu segeln, selbst wenn uns das wieder zurücktreibt?«
Gurvan schüttelte den Kopf.
»Bei diesem Seegang würden dann die schweren Wellen ständig über uns hinweggehen. Ihre Gewalt könnte uns sogar unter Wasser drücken.«
Wie zur Betonung seiner Worte fegte die Gischt über das Deck, und Fidelma sah, wie die See ringsum zu kochen begann. Der Wind hatte so zugenommen, daß selbst der dicke, starke Mast stöhnte und sich leicht bog. Fidelma schien es, als wolle der Wind ihn aus seiner Verankerung reißen. Das lederne Segel schlug im Wind und schien in Gefahr zu zerreißen.
»Geh jetzt lieber hinein!« drängte sie Gurvan.
Fidelma folgte seinem Rat und schritt vorsichtig mit gesenktem Kopf über das Hauptdeck.
Nun war weiter nichts zu tun, als alle beweglichen Gegenstände wieder zu verstauen und dann auf der Koje zu sitzen und den Sturm abzuwarten. Aber der ließ nicht so schnell nach. Die Stunden vergingen, und Fidelma hatte das Gefühl, daß sich das Wetter eher noch verschlimmerte.
Einmal erhob sie sich von der Koje und tastete sich zum Fenster hin. Sie schaute auf das Deck, sah aber nichts. Es herrschte pechschwarze Finsternis, und der Regen – oder war es Gischt? – stürzte in Güssen über das Schiff. Es schien fast, als stünde die »Ringelgans« völlig unter Wasser. Während sie nach draußen starrte, schleuderte der Wind Seewasser von den Wogenkämmen über das Schiff; es fuhr ihr in Gesicht und Augen und durchnäßte sie.
Sie kehrte zu ihrer Koje zurück.
Durch den
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