08 - Tod Auf Dem Pilgerschiff
unerwartet los, daß sie zusammenfuhr.
»Wenbrit! Durchsagen, Wenbrit zum Kapitän!« Er schaute sie wieder an. »Ich muß dich für den Augenblick verlassen. Der Junge bringt deine Plünnen nach unten und zeigt dir deine Kajüte, Lady …«
Er drehte sich um, ehe sie ihn fragen konnte, was »Plünnen« bedeutete, und eilte zu den Männern am Steuerruder. Dann brüllte er: »Leinen klar zum Halsen.«
Das Schiff stampfte und rollte so heftig, daß Fidelma ständig ihre Haltung ändern mußte, um senkrecht zu bleiben.
»Bißchen rauh für dich, was, Schwester?«
Sie schaute in das Koboldsgesicht eines dreizehn- oder vierzehnjährigen Jungen, der breitbeinig, die Hände in den Hüften, vor ihr stand und sich mühelos im Gleichgewicht hielt, während das Schiff schlingerte und rollte, als die Mannschaft es auf den neuen Kurs manövrierte. Er hatte kupferrotes Haar, eine Menge Sommersprossen auf seiner hellen Haut und meergrüne Schalksaugen. Sein breites Grinsen verriet selbstbewußten Stolz. Er sprach zwar mühelos irisch, doch mit einem Akzent, der seine Herkunft verriet: Er war Brite.
»So rauh nun auch nicht«, versicherte sie ihm, obgleich sie sich an der Reling abstützen mußte.
Bei ihrer Antwort verzog er ungläubig das Gesicht.
»Na«, meinte er, »wenigstens hältst du dich besser als ein paar von deinen Freunden unter Deck. Die kotzen wie die Reiher.« Angeekelt rümpfte er die Nase. »Und wer hat das alles sauberzumachen?«
»Ich nehme an, du bist Wenbrit?« fragte Fidelma lächelnd. Trotz des Schlingerns des Schiffes spürte sie keine Übelkeit. Es kam nur darauf an, das Gleichgewicht zu halten.
»Ja«, antwortete der Junge. »Du willst jetzt wohl nach unten gehen?«
»Ja, ich möchte mir meine Kajüte ansehen.«
»Dann folge mir, Schwester, und halte dich gut fest«, sagte er und nahm ihre Tasche. »Bei kräftigem Seegang ist es unter Deck manchmal gefährlicher als auf Deck. Wenn ich Kapitän wäre, würde ich meine Passagiere erst nach unten lassen, wenn sie wüßten, wie das ist. Wenn sie erst Seebeine gekriegt haben, dann können sie sich auch in der Dunkelheit unter Deck verkriechen.«
Mit diesen spöttischen Reden ging er ihr stolz und sicher voran, die hölzernen Stufen vom Achterdeck hinunter auf das Hauptdeck. Als er sich umwandte, bemerkte Fidelma einen weißen Streifen an seinem Hals, die Narbe einer Abschürfung. Das reizte ihre Neugier, doch es war nicht der Ort und nicht die Zeit, danach zu fragen. Am Fuß der Treppe beobachtete er kritisch, wie sie herabstieg. Rasch war sie unten, und er nickte in widerwilliger Anerkennung.
»Einer deiner Freunde fiel die Treppe runter, als wir noch vor Anker lagen«, erklärte er fröhlich. »Landratten!«
»Hat er oder sie sich verletzt?« fragte Fidelma, von der Gefühllosigkeit des Jungen entsetzt.
»Nur in ihrer Würde, wenn du verstehst, was ich meine«, erwiderte er lässig. »Hier lang, Schwester.«
Er ging durch eine Tür – die korrekte seemännische Bezeichnung dafür hatte Fidelma nicht behalten – und eine enge schmutzige Treppe hinunter in den Kajütenraum unter Deck. Später lernte sie, daß das Niedergang hieß. Eine einzige Sturmlaterne schwang an einer Kette in dem Korridor und verbreitete ein nur schwaches Licht.
»Du hast eine Kajüte mit einer anderen Schwester zusammen dort am hinteren Ende.« Der Junge wies mit der Hand dorthin. »Die anderen Reisenden haben die Kajüten hier entlang. Wenn ich nicht an Deck bin, schlafe ich in der großen Kajüte hier drüben.« Er zeigte nach vorn. »Dort bereiten wir die Mahlzeiten zu und essen. Es heißt das Messedeck. Ich bin immer zu erreichen, wenn was gebraucht wird.« Stolz wölbte er die Brust. »Der Kapitän – also der möchte, daß sich die Passagiere erst an mich wenden, und wenn es was Wichtiges ist, dann gebe ich es an ihn weiter. Er möchte nicht soviel mit den Reisenden auf seinem Schiff zu tun haben.« Er hielt inne, als erwarte er eine Reaktion.
»Sehr wohl, Wenbrit«, bestätigte Fidelma feierlich, »wenn es Probleme gibt, frage ich zuerst dich.«
»Es gibt eine Mahlzeit am Mittag, und an der wird der Kapitän teilnehmen und euch allen erklären, wie man sich an Bord zu verhalten hat. Aber im allgemeinen speist er nicht mit den Passagieren. Am ersten Tag macht er eine Ausnahme, um sicherzugehen, daß alle Bescheid wissen. Mit warmen Mahlzeiten dürft ihr natürlich nicht rechnen. Dabei fällt mir ein, wenn ihr unter Deck Kerzen brennt, laßt sie niemals ohne
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