08 - Tod Auf Dem Pilgerschiff
erste, wonach ich mich erkundige, bevor ich überhaupt herkomme.«
Grian lächelte einnehmend. »Dann kannst du uns vielleicht sagen, wie der Braune mit der weißen Blesse auf der Stirn heißt und wer ihn reitet?«
»Der junge Mann in dem roten Mantel?«
»Ja, genau der.«
»Ganz einfach. Der Braune heißt Diss …«
Hier mischte sich Fidelma ein. »Diss? Aber das bedeutet doch ›schwach‹ oder ›gebrechlich‹?«
Der Mann tippte sich an die Nase und lächelte schlau: »Weil das Pferd eben alles andere als schwach oder gebrechlich ist.«
Diese Logik verwirrte Fidelma.
Grian ließ sich nicht ablenken und drängte: »Wie heißt also der Reiter?«
»Dem Reiter gehört auch das Pferd«, erwiderte der Mann. »Er heißt Cian.«
»Ein Häuptlingssohn, dem Aussehen nach«, bemerkte Grian verschmitzt.
Der Mann schüttelte den Kopf. »Nicht daß ich wüßte. Er ist aber ein Krieger, er dient in der Leibgarde des Großkönigs.«
Grian warf Fidelma einen triumphierenden Blick zu.
Die Anfeuerungsrufe wurden immer lauter, und das Donnern der Hufe kam wieder näher. Die Reiter hatten die Rundstrecke beinahe zurückgelegt und näherten sich dem Zielpfosten.
Fidelma beugte sich vor, um das Feld zu sehen.
Der große Braune lag dicht hinter der führenden weißen Stute, und sein Reiter beugte sich tief über den Pferdehals. Beifall brandete auf, als Cian und sein Pferd Diss weiter aufholten, aber sie wurden von der weißen Stute und ihrem Reiter ganz knapp geschlagen.
Fidelma fühlte sich vorwärtsgeschoben, als die Menge an den Sieger herandrängte. Grian hing an ihrem Arm, und sie merkte, daß ihre Gefährtin sie ebenso nach vorne schob wie der Druck der Menge. Grian steuerte sie aber nicht auf den Sieger zu, sondern dort hin, wo Cian von seinem Hengst stieg.
»Was machst du denn?« protestierte Fidelma.
»Du willst ihn doch kennenlernen, nicht wahr?« erwiderte ihre Freundin selbstsicher.
»Nein, ich …« Aber ehe sie weitere Einwände erheben konnte, befand sie sich schon in einer kleinen Gruppe, die den hübschen jungen Reiter bedauerte, weil er so knapp geschlagen worden war.
Cian lächelte freundlich und nahm ihre Komplimente entgegen. Als er Fidelma und ihre Gefährtin erblickte, wandte er sich ihnen mit einem breiten Lächeln zu. Mit hochroten Wangen senkte Fidelma den Blick und war wütend, weil sie in solch eine peinliche Situation geraten war.
Cian nahm die Zügel über den Arm und kam auf sie zu.
»Hat den Damen das Rennen gefallen?« erkundigte er sich. Fidelma fiel sofort auf, daß er eine angenehme, klangvolle Tenorstimme besaß.
»Ein großartiges Rennen!« antwortete Grian für sie beide. »Aber meine Freundin wunderte sich, daß dein Pferd Diss heißt. Deswegen wollte sie dich unbedingt treffen«, fügte sie mit mutwilligem Humor hinzu.
Der Reiter lachte vergnügt. »Es wird schwach genannt, ist aber stark und keineswegs winzig. Das ist eine lange Geschichte – vielleicht nehmen wir zusammen eine Erfrischung zu uns, wenn ich meinen Hengst versorgt und mich gewaschen habe?«
»Tut mir leid, aber …« wollte Fidelma ablehnen, als ihre Freundin sie heftig am Arm zog.
»Aber sehr gern«, antwortete Grian rasch und mit einem Lächeln, das Fidelma in Verlegenheit brachte.
»Ausgezeichnet«, erwiderte Cian. »Dann treffen wir uns in fünfzehn Minuten dort drüben an dem Zelt mit dem gelbseidenen Banner darauf.«
Er wandte sich ab und führte sein Pferd fort. Im Vorübergehen klopften ihm manche Leute auf die Schulter. Er schien sehr beliebt zu sein.
Zornig fuhr Fidelma ihre Freundin an.
»Wie konntest du das tun!« zischte sie gereizt.
Grian blieb unbeeindruckt.
»Weil ich dich kenne. Natürlich wolltest du ihn kennenlernen! Leugne das doch nicht. Statt mich anzufauchen, solltest du froh sein, daß du eine Freundin wie mich hast.«
Im tiefsten Innern wußte Fidelma, daß Grian recht hatte. Sie hatte wirklich den hübschen Krieger kennenlernen wollen …
Die Erinnerung an diese Begegnung kam und ging im selben Augenblick, aber sie stand ihr kristallklar vor Augen.
Jetzt, in der Dunkelheit des unteren Längsgangs der »Ringelgans«, starrte Fidelma den hochgewachsenen Mann an, den die schaukelnde Laterne beleuchtete, und wurde von dem Konflikt ihrer Gefühle fast überwältigt. Sie nahm kaum wahr, daß er eine Mönchskutte trug. Er stand in der Tür seiner Kajüte, hielt sich mit einer Hand am Türrahmen fest, und sein hübsches Gesicht zeichnete sich gegen die sich jagenden
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